Auf der Insel findet in diesem Winter kein Eishockey statt. Die EIHL wählte schon jetzt freiwillig den corona-bedingten Exit, obwohl der Start erst für Anfang Dezember angesetzt worden war. Der Hintergrund: Die britischen Klubs sind zu einem Gutteil von Ticketeinnahmen abhängig. Zwischen 75 und 100 Prozent Auslastung der Hallenkapazitäten benötige es, um einen Ligabetrieb aufrechtzuerhalten. "Wir prüfen die Möglichkeit, dass in Großbritannien möglicherweise Anfang 2021 irgendeine Form von Eishockey auf höchstem Niveau stattfindet. Möglicherweise umfasst das aber nicht alle Mannschaften", so Liga-Chef Tony Smith.
Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Großbritannien. In der Slowakei wird mittlerweile ein ähnliches Prozedere diskutiert. ÖsterreichsEishockey fühlt sich von der Corona-Krise, auch aufgrund der gesetzlichen Maßnahmen (große Einschnitte bei Indoor-Veranstaltungen), hart getroffen. Die wirtschaftlichen Entwicklungen lassen sich allerdings nur schwer prognostizieren. Mittlerweile werden nicht allein Spielzüge analysiert, sondern sogar Pressekonferenzen der Bundesregierung, um daraus Schlüsse auf Verschärfungen bzw. Lockerungen zu erkennen.
Nicht relevant genug
Nichtsdestotrotz müssen sich die Klubs derzeit mit harten Fakten auseinandersetzen. Der Sponsoren-Markt gilt als beschränkt. Ebenso das allgemeine Interesse, im Vergleich zu Branchen-Platzhirschen wie Fußball (kommt als einziger Sport bei Corona-Pressekonferenzen der Bundesregierung vor) oder Ski.Eishockey ist ein kostenintensiver Sport (großes Team samt Betreuer, Equipment, Infrastruktur). Wie kann also der Spielbetrieb aufrechterhalten werden, ohne dass ein finanzieller Kollaps droht?
Einen strikten Sparkurs, im Verhältnis zu den Zuwendungen ihrer Mäzene, haben sich Vereine wie der KAC auferlegt. Die Rotjacken verfügen dank Gönnerin Heidi Goess-Horten über einen wertvollen Talon. Bei den Vienna Capitals (Unternehmer Hans Schmid) ist die Situation nicht anders. Im Gegensatz zu anderen Standorten, wo Zuschauer das wichtigste Kapital bilden: Auf mindestens 35 Prozent beläuft sich in Österreich der Budgetanteil pro Klub aus Ticketverkäufen. Ein Posten, der heuer eine höchst unsichere Variable darstellt und im Grunde keinen stabilen Finanzplan zulässt.
So drängt sich die Frage auf: In welchen Branchen sind die Sponsoren im Eishockey beheimatet?
Sponsoren müssen sparen
Blickt man also über die rot-weiß-rote Liga-Landkarte bilden budgetäre Aufstockungen in diesen Zeiten eher die Ausnahme. Ein Insider schätzt den durchschnittlichen Sponsor-Rückgang auf rund 30 Prozent. Nicht wenige Klubs erhielten von Geldgebern die Nachricht, dass aufgrund von corona-bedingten Betriebssparplänen klarerweise die Werbeetats drastisch gekürzt werden.
Dazu ein Rechenbeispiel: Bei einem Jahresbudget von unter normalen Umständen 3 Millionen Euro wurden über eine Million Euro aus Tickets generiert (heuer offen). Und unter der Annahme, dass von den restlichen zwei Millionen großzügig geschätzt etwa 200.000 Euro auf TV-Gelder, Subventionen und Merchandising entfällt, würden 1,8 Millionen seitens Sponsoren fließen. Oder aufgrund von Corona eben nur noch 1,3 Millionen.
Viele versuchen seitdem gegen den Wasserfall zu rudern. Ein Beobachter meint spöttisch: "Einige kämpfen um den letzten Meistertitel ihres Bestehens. Sie erinnern an Leute, die nicht wahrhaben wollen, dass Kreditkarten-Zahlungen irgendwann tatsächlich vom Konto abgebucht werden." Sogar heuer, mitten in der vielleicht größten noch bevorstehenden Wirtschaftskrise, unterscheidet sich die Handhabung je nach Standort immens.
Neuerlicher Liga-Crash?
Die Sorge erscheint demnach berechtigt, dass in bzw. nach diesem Winter die finanziellen Einschnitte nicht mehr ausgebügelt werden können. Innsbruck-Obmann Günther Hanschitz sprach in der TT bereits Klartext: Es geht ums Überleben. Exakt 20 Jahre nach dem großen Liga-Crash drohen wohl erneut veritable Erdbeben.
Das war absehbar, Corona wirkte nur als Brandbeschleuniger: Seit Jahren führt Eishockey ein Geschäftsleben am Limit. Große finanzielle Rücklagen wurden nie angelegt. Beweis? Die Schweiz etwa stampft reihenweise neue Eishallen aus dem Boden (finanziert durch Sponsoren, die an den Sport glauben). Hierzulande erfolgt nur Flickwerk. Die Klubs verfügen teilweise nicht einmal über eine eigene Gastro. Ein weiterer eklatanter Mangel, mit Bumerang-Effekt: Jahrelang wehrten sich die Klubs vor digitalen Innovationen und Ausbau für Infrastruktur, die man jetzt dringend für Livestreams benötigen würde.
Deutschland hat ein ähnliches Problem. Die DEL steht ebenfalls vor existenziellen Nöten. Der Budgetanteil von Ticketverkäufen ist noch höher: etwa 70 Prozent lautet die Schätzung. Die Kölner Haie wollten mit 7500 Zuschauer in die Saison starten (Fassungsvermögen: 18.500). Die Politik hat allerdings eine 20-Prozent-Regelung ausgerufen, also 3750 im Fall der Kölner. Bei Wolfsburg wären nach diesem drastischen Schritt nur 900 Besucher zugelassen.
DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke zeigte sich schockiert: "Wir müssen diese Entscheidung der Politik erst mal sacken lassen und abwarten, wie die praktische Handhabung erfolgt." Ende Oktober soll der Corona-Status zu einer Neubewertung führen. Alle hoffen, dass es beim Liga-Start am 13. November mit so vielen Zuschauern wie möglich bleibt.
ICE hat keine Wahl
Das österreichische Eishockey stützt sich derzeit hauptsächlich auf Hoffnungen: dass die Corona-Zahlen sinken, dass so viele Zuschauer wie möglich Tickets kaufen können, dass eine ganze Saison gespielt werden kann und für den Worst-Case, also den schlimmsten Fall: dass die Bundesregierung in einem Maßnahmen-Paket die Ausfallhaftung für Einnahmen-Entgang (Sponsoren, Tickets) ausweitet. Dann kämen die Klubs zumindest vorerst mit einem blauen Auge davon.
Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, dass in einer Phase steigender Corona-Infizierten, mit 25. September der Spielbetrieb aufgenommen wird. Aber alternativlos, so ein totales Chaos verhindert werden soll. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass die Saison vollständig, reibungslos und Corona-frei über die Bühne gehen wird.