Schon seit den frühen Morgenstunden wirkt es, als wäre ein ganzes Land in Richtung Tampere unterwegs. Es ist Samstag, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, die Gastgärten sind trotz der frischen Brise gut gefüllt und der Alkohol fließt in Strömen: Prosecco (bei einer Frauen-Polterrunde), Wein, Bier und natürlich Lonkero: Ein picksüßes, weißes Getränk, bestehend aus Gin und Grapefruit-Limonade. Weil die Schweden schon die Mittagspartie bestreiten, haben ihre Fans aber ohnehin einen Vorsprung, was den Pegel betrifft.
Die Stimmung ist heute, wie an jedem Tag bei dieser Eishockey-WM friedlich und familiär. Nicht eine einzige Auseinandersetzung, trotz übermäßigem Alkoholkonsum. Wenn jemand ein Nickerchen auf dem Kunstrasen vor der Arena hält, wird er höflich um sein Verständnis gebeten und bei Bedarf sogar geholfen, beim Suchen eines alternativen Schlafplatzes.
Suomi ist es völlig egal, wer der Leijonat an diesem Tag gegenübersteht. Ob Schweden, USA oder eben die Österreicher – die Stimmung der eishockeyverrückten und weiß-blau-gekleideten Fans in der Nokia Arena ist hervorragend. Darunter befinden sich auch einige Ehrengäste mit Österreich-Bezug. KAC-Legende Seppo Ahokainen etwa oder Ex-VSV-Trainer Hannu Järvenpää wurden vom finnischen Verband zu diesem Spiel eingeladen. "Wir sind den ganzen Tag zusammen. Ein schönes Erlebnis", sagt Järvenpää. Einzige Ausnahme: ein kleines, rotes Grüppchen im Oberrang ist dafür aber mit Trommel bewaffnet und versucht dagegenzuhalten. Doch die Übermacht ist zu groß.
Als nach nur 105 Sekunden der erste Treffer fällt, die Anspannung somit weicht, wirkt die Halle erstmals zu explodieren: Legende und Kapitän Valtteri Filppula schießt unter "Suomi"-Rufen erstmals ein. Erst danach konnte Team Austria den riesengroßen Respekt vor der Situation ablegen und wurde in seinen Offensiv-Bemühungen mutiger. Doch Treffer wollen im ersten Abschnitt keine mehr fallen, auch nicht in einem Powerplay der Finnen. Das Schussverhältnis spricht aber eine eindeutige Sprache (16:3 für den WM-Gastgeber). Kurz vor der Pausensirene eilt die halbe Halle aber bereits zu den Kiosk-Ständen, um beim Flüssigkeitsbedarf nachzuladen.
Auch auf dem Eis wirkt Suomi im Mittelabschnitt erfrischt. Vor allem deren eisläuferische Fähigkeiten sind eine Augenweide. Stocktechnisch sowieso. Der einzige Österreicher, der an dieses Niveau herankommt, ist Marco Kasper. Und wenn die finnische Topformation zum Zaubern beginnt, sind nicht nur Kasper und seine Kollegen chancenlos. So sorgte Mikael Granlund für das 2:0. In der finnischen Zone blieb das Eis nahezu unbenutzt, Goalie Olkinuora konnte sich bis auf vereinzelte Vorstöße entspannt zurücklehnen.
Doch die Österreicher lieferten alles, was im Rahmen ihrer Möglichkeiten gestanden war. Sie glänzten erneut mit einer starken, taktisch disziplinierten Defensive. Goalie David Kickert agierte zuverlässig, setzte ein paar Ausrufezeichen. Das zuletzt aggressive Körperspiel fehlte gegen die flinken Finnen in der temporeichen Partie klarerweise völlig. Sekundenbruchteile vor der zweiten Pausensirene zog Paul Huber einen sauberen Konter an, Ali Wukovits konnte aber Olkinuora nicht überwinden.
Kickert war aber gleich nach Wiederbeginn wieder voll gefordert. Der Wiener zeichnete sich gegen Pesonen aus. Ein Powerplay der Österreicher verteidigten die Hausherren erfolgreich. Richtig laut wurde es wieder, als es den Treffer von Lokalmatador Toni Rajala ins kurze Kreuzeck zu bejubeln gab. Die sonst so schweigsamen Finnen zeigten plötzlich Temperament, stimmten Kampfgebrüll an, ließen die Welle durch die Halle schwappen. Österreichs Fans wirkten beeindruckt, ihre Trommeln schwiegen längst.