Ein Relikt aus der Ära Pierre Pagé findet sich in der Klagenfurter Stadthalle. Die deutlich höhere Plexiglasscheibe hinter der Gästespielerbank musste extra für den polarisierenden Kanadier angefertigt werden. Er fühlte sich in der aufgestachelten Atmosphäre der Finalserie 2011 zwischen KAC und Salzburg, an der er übrigens nicht ganz unbeteiligt gewesen ist, plötzlich bedroht. Noch heute schmunzeln viele der damaligen Protagonisten. „Mit ihm war immer etwas los“, lässt etwa Bullen-Kapitän Matthias Trattnig wissen. „Er sagte, Eishockey müsse Entertainment sein. Wegen dem Sport alleine komme niemand in die Halle. Das hat er geschafft. Pagé hat in der Liga eben für viel Wirbel gesorgt.“
Auf wie abseits des Eises hat der Exzentriker seinen geliebten Sport in Österreich geprägt wie kein anderer seit es die EBEL gibt. Vor Pagé gab es de facto keine Off-ice-Trainings. Er funktionierte Stürmer reihenweise zu Verteidigern um. Seine Transferpolitik uferte zwar manchmal aus, 20 Ausländer pro Saison waren keine Seltenheit. Die Qualität der Imports war aber bemerkenswert. „Sie haben das Level gehoben. Auch für die jungen Spieler.“ Damit führte er Red Bull zur jahrelangen Vorherrschaft. Und Pagé war es wohl, der das Fundament gelegt hatte, dass heute Salzburg und München um den Finaleinzug der Champions Hockey League, dem Non-Plus-Ultra im europäischen Klub-Eishockey, rittern dürfen. „Das ist sehr gut für Red Bull, dass eine Mannschaft fix im Finale steht“, denkt der 70-Jährige schon weiter. Ob er seine Handschrift in irgendeiner Form wiedererkenne? „Bei manchem ja. Aber in manchen Dingen hat Red Bull einen neuen Weg eingeschlagen. Die Zeit hilft, sich neu zu sortieren und eine andere Perspektive zu erhalten.“ Etwas Verbitterung lässt sich nicht verbergen. Denn der Abgang bei Red Bull erfolgte nicht freiwillig.
Pagés Demontage begann mit seinem Wechsel nach München 2013. Danach war nichts mehr so wie es war. „Ich bin nicht verletzt. So etwas ist die Realität. Der Moment war gekommen. Es hilft nicht, in der Vergangenheit zu schwelgen“, antwortet der Kanadier, der im malerischen Going bei Kitzbühel seinen Alterswohnsitz gefunden hatte.
Den Gamsstadt-Klub unterstützte er zuletzt als Konsulent. Mittlerweile habe man sich wieder voneinander entfernt. „Die Voraussetzung war, dass viele Dinge geändert werden. Sie haben sich aber entschlossen, nun in eine andere Richtung zu gehen. Somit habe ich entschieden, mein Engagement stillzulegen.“
Viel lieber blickt er ohnehin auf die Zeit zurück, als er in Salzburg seine Eishockey-Thesen diktieren durfte. „Wir wollten Stanley Cup-Sieger aus der Akademie hervorbringen. Jetzt gibt es mit dem Villacher Benjamin Lanzinger den einzigen U20-Spieler in der Liga. U16, U18 oder U20 sind pure Zeitverschwendung. In Österreich gibt es aber kein Modell, wie beispielsweise in Deutschland.“
Unter Pagé sowie an beiden Bullen-Standorten hat übrigens nur ein einziger aktueller Spieler gewerkt: Ryan Duncan. „Die Emotionen vor diesem Duell lassen sich nur schwer beschreiben“, meint der 33-jährige Kanadier. Nach Meistertiteln, Sieg im Continental Cup, Gewinn der European Trophy könnte es nun mit dem CHL-Finaleinzug klappen. 0:0 endete das Hinspiel in München. Somit steigt der Sieger. Für Duncan, für Salzburg und das österreichische Eishockey wäre das ein Meilenstein. Und stolz darauf wäre wohl auch Pierre Pagé.