Felix Gall trägt das Bergtrikot bei der Tour de France. Bei seinem ersten Antreten in Frankreich hat der Osttiroler auf der fünften Etappe alles in die Waagschale geworfen und holte das Bergtrikot. Nach einer langen Fahrt in der Verfolgergruppe ging auf dem Anstieg zum Col de Soudet sein Stern auf. Auf dem ersten Berg der "Ehrenkategorie" – der höchsten im Radsport – im Rahmen der aktuellen Tour zeigte er seine Kletterqualitäten. Und letztlich beendete er den Tag auf dem dritten Platz, hinter dem neuen Gesamtführenden Jay Hindley und dem Italiener Gulio Ciccone, aber noch vor Tour-Titelverteidiger Jonas Vingegaard, der seinerseits seinem großen Konkurrenten Tadej Pogacar über eine Minute abnahm.
Gall aber aber trägt damit als offiziell erster Österreich - dem 2008 gedopten Bernhard Kohl wurden alle Ergebnisse aberkannt - das berühmte Trikot mit den roten Punkten, das Zeichen des besten Bergfahrers. "Das Bergtrikot war nicht der Plan, aber es war der Plan, auf den Etappensieg zu gehen - und in die Fluchtgruppe."
Der Nußdorf-Debanter war am ersten harten Tag in den Pyrenäen lange in der Verfolgergruppe. Diese schloss im Anstieg auf die Führenden auf - und Gall attackierte sofort. "Ich dachte mir, ich nehme die Bergwertung mit, damit ich zumindest irgendwas schon habe. Da habe ich investiert. Aber es hätte am Ende der Etappe keinen Unterschied gemacht, wenn ich das eine Korn gespart hätte."
9 Punkte Vorsprung
Der Beschleunigung vermochte keiner der Kontrahenten etwas zu entgegensetzen. Einen Kilometer fuhr er alleine bis zur Spitze. Auf 1540 Metern Seehöhe holte sich Gall die vollen 20 Punkte für den Sieg auf der HC-Kategorie ab und setzte sich damit an die Spitze der berühmten Sonderwertung. "Es war ein verdammt schwerer Tag, ich bin zufrieden, dass ich meine Beine gefunden habe. Die ersten Tage habe ich mich nicht so gut gefühlt."
Gall arbeitet danach hart weiter, um in der Spitze zu bleiben und das lohnte sich. Denn kurz darauf sicherte er sich auf dem Col de Marie Blanque mit dem zweiten Platz weitere acht Zähler. Damit hält er bei insgesamt 28 Punkten und führt vor Ciccone (Trek/19) und Hindely (Bora/18).
Der Australier griff im letzten Anstieg an, riskierte in der finalen Abfahrt alles und fuhr auf den letzten Kilometern einen starken Zug. "Jai musste da nicht mehr großartig attackieren, weil ich leer war. Es war ein superharter Tag. Aber ich bin zufrieden, dass ich auf einem so guten Niveau war", resümierte Gall, der bei der Siegerehrung mit dem gepunkteten Triko0t strahlte. Mit dem Tagessieg übernahm er auch "Gelb". Im Vorjahr sorgte er mit dem Gesamtsieg des Giro für den ersten Triumph seines Teams bei einer Grand Tour. Gall sicherte sich im Sprint der Verfolger Platz drei.
Pogacar verlor an Boden
Und enorm stark präsentierte sich einmal mehr Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma). Der Titelverteidiger setzte sich von seinem wohl schärfsten Konkurrenten um den Gesamtsieg Tadej Pogacar im Anstieg auf dem Col de Marie ab und fuhr noch 1:04 Minuten Vorsprung heraus, auch wenn ihn Ciccone und Gall im Finish noch absprinteten und so weitere Bonussekunden verhinderten. Pogacar hingegen scheint (noch) nicht in Höchstform zu agieren. "Es war gar nicht so schwierig, aber Jonas ist einfach schnell gefahren. Ich habe ein bisschen meine Beine verloren, fühle mich aber gut", sagte der Slowene. In der Gesamtwertung ist Gall übrigens auf Rang 29 zu finden, mit über sechs Minuten Rückstand.
Am Donnerstag geht es in den Pyrenäen weiter. Von Tarbes führt die Strecke über 145 Kilometer und unter anderem über den berühmt-berüchtigten Col du Tourmalet nach Cauterets-Cambasque.
Das zweite große Ausrufezeichen
Das Berg-Trikot bei der Tour de France ist das zweite große Ausrufezeichen des 25-jährigen Felix Gall innerhalb von 21 Tagen. Bei der Tour de Suisse hatte er sich vor zwei Wochen seinen ersten Sieg in einem Profirennen gesichert und war auch als Gesamtführender ins letzte Zeitfahren gegangen, an dem er nach dem tragischen Todesfall des Schweizers Gino Mäder nach einem Sturz aber noch viel Zeit verloren hatte.
Eigentlich hätte Gall die Tour de France gar nicht bestreiten sollen. Er war für das "Double" Giro d 'Italia und Vuelta a Espana vorgesehen. Doch nach starken Leistungen im Frühjahr setzte sein französisches AG2R-Team just beim Saisonhöhepunkt in der Heimat auf den Österreicher. Und der zahlte dieses Vetrrauen mit dem Bergtrikot schon mehr als zurück. Wie erwähnt, ist er erst der zweite Österreicher nach Georg Totschnig 2005, der eine Bergwertung der höchsten Kategorie gewonnen hat, damals auf dem Col de Pailhères.