Unter tosendem Applaus begrüßt das Stadion die Spieler bei der IEM in Köln. Im Juli 2022 trafen sich hier tausende Fans zum wichtigsten Counter-Strike-Wettbewerb. E-Sport boomt - nicht nur Counter Strike (CS:GO), sondern auch andere Spiele wie League of Legends, Fortnite oder Call of Duty versprechen hohe Preisgelder. 40 Millionen US-Dollar gab es 2021 bei der Dota-2-Meisterschaft zu gewinnen. Zuletzt kündigte das olympische Kommitee eine eigene E-Sports-Serie an. Auch viele österreichische Kinder und Jugendliche träumen von einer Karriere als Profi-E-Sportler. Trotzdem gibt es in Österreich bis jetzt nicht viele Spieler, die vom Zocken allein leben können.
Schule, Nebenjobs und Gaming
Erfolgreich im E-Sport ist der Niederösterreicher Georg Bauer. Der 26-Jährige spielt CS:GO, seitdem er acht Jahre alt ist. Nach der Matura fing er an, halbprofessionell in Teams zu spielen. Mittlerweile ist "farmaG", wie er im Spiel heißt, bei einem deutschen Team.
„Theoretisch kann man davon leben. Ich habe aber keine Wohnung, die ich bezahlen muss und lebe noch bei den Eltern“, sagt er. Nur Spielen – das geht sich auf Dauer einfach nicht aus, auch wenn er phasenweise gut verdient. Damit ist Georg Bauer nicht allein – den meisten E-Sportlern in Österreich geht es ähnlich. Selbst in höheren Ligen herrschen eher prekäre Arbeitsverhältnisse. Viele E-Sportler jonglieren deswegen zwischen Nebenjobs, Schule, Uni und Spielen. Selbst bei Profis liegt das Jahreseinkommen nur im niedrigen fünfstelligen Bereich.
Internationale Teams trainieren online
Matthias Luttenberger ist Trainer des E-Sport-Teams von Bayern München. Den Job macht er nebenberuflich, sonst ist er selbstständiger Unternehmer. Das erste Spiel der Serie Pro Evolution Soccer, dem FIFA-Konkurrenten, spielte er 1997 schon als Zehnjähriger. Später wurde er Vizeweltmeister – vier Jahre lang war er später unter den Top 16 der Welt. 2018 hörte er als Spieler auf. Ein Jahr später wurde er von Bayern München als E-Sport-Trainer angeworben.
Als E-Sport-Trainer arbeitet Luttenberger online mit seinen Spielern, zwei Spaniern und einem Türken. „Wir verabreden uns dann zum Beispiel für ein internes Turnier. Die Spiele werden übertragen, damit man mitschauen kann. Danach wird das Spiel analysiert und besprochen.“ Seine Profis spielen im Schnitt drei bis vier Stunden pro Tag.
40-Stunden-Wochen und Goodies
Im Vergleich zu E-Sport-Klassikern wie CS:GO oder League of Legends ist das allerdings wenig. „Ich investiere in der Woche sicher 30 bis 40 Stunden für Counter Strike“, sagt Georg Bauer. Daneben hat er einen 30-Stunden Job und eine eigene Firma. Die Grazerin Yvonne Scheer, die dreimal Staatsmeisterin in Call of Duty wurde, hat mit dem Spielen nie Geld verdient: „Richtig davon leben kann man nicht, wir haben nur Goodies bekommen“.
Georg Bauer will mittelfristig weniger arbeiten, da er sonst in seiner Liga (DACH-Liga) nicht mithalten kann. Das Leben als E-Sportler ist intensiv, neben den Online-Spielen muss er regelmäßig ins Ausland reisen, zuletzt etwa zum Media Day in Berlin. Bei den Playoffs trifft man sich offline bei eigenen Events. Das hat aber auch einen Vorteil. „Mit Zuschauern ist das Spielen viel cooler. Fans sitzen in der Runde und jubeln dir zu“, freut sich der CS:GO-Profi.
E-Sports steckt in Österreich noch in Kinderschuhen
Während E-Sport-Events in Deutschland oder Polen bereits Stadien füllen, ist das in Österreich noch nicht so. Aber zunehmend wird das Thema auch hierzulande ernst genommen und wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.
Die Spiele werden gratis im Internet gestreamt, wo die Aufmerksamkeit der Kinder und Jugendlichen ist. „Die Kinder wachsen mit E-Sport auf. Sie schauen YouTube oder Twitch statt Fernsehen“, sagt Luttenberger.
Negatives Image
Obwohl E-Sport so viele junge Menschen begeistert, wird er in Österreich oft zu kritisch gesehen, findet Georg Bauer: „Das Ansehen von E-Sports ist in Österreich ein gänzlich anderes als in Ländern wie Dänemark, Polen oder Brasilien. Vor allem Shooter-Spiele haben ein sehr negatives Image." Er findet das schade, denn: "Die Sponsoren sind hierzulande oft noch sehr vorsichtig.“
Auch Bayern-Teamchef Luttenberger sieht Aufholbedarf: „Österreich ist im E-Sport noch nicht so weit wie Deutschland. Bei uns sind arbeits- und sozialversicherungsrechtlich noch viele Fragen ungeklärt.“ Andererseits tut sich auch etwas. Mittlerweile gibt es auch in Österreich schon eigene Agenturen, Spielerberater und Vermarkter. Für Aufsehen sorgte, als ein Kärntner 2019 überraschend die Fortnite-Weltmeisterschaft gewann und damit zum Millionär wurde.
Gewinner müssen früh anfangen
Viele Kinder und Jugendliche träumen davon, E-Sportler oder Streamer zu werden. „Allerdings schafft nur eine Handvoll den Durchbruch. Viele investieren sehr viel Zeit, schaffen es dann aber nicht“, sagt Luttenberger.
Wer den schwierigen Weg trotzdem gehen will, muss früh anfangen: „Als Tennisspieler fängst du zwischen vier und acht Jahren an. Übung macht den Meister, auch im E-Sport. Wer jahrelang das gleiche Spiel spielt, wird irgendwann konkurrenzfähig“. Um richtig gut zu werden, sollte man nicht nur nach den Preisgeldern gehen, findet Luttenberger: „Sucht euch ein Spiel aus, an dem ihr Spaß habt – nicht anders als im echten Sport“.
Wo sind die Mädels im E-Sport?
Ist Profi-Gaming nur etwas für Buben? „Nein!“, sagt Yvonne Scheer mit Nachdruck. „Es gibt bei E-Sports Meisterschaften und Turnieren keine Regel, die sagt, dass nur Männer im Team sein dürfen. Trotzdem sind Frauen und Personen der LGBTQ+-Community sowie People of Colour unterrepräsentiert.“ Sie wünscht sich, dass sich das in Zukunft ändert. „Vor der Konsole, dem Handy oder PC sind wir alle gleich!“, findet sie.
Viele Spielerinnen würden online angefeindet, die Hauptfiguren sind meistens weiße Männer. „Mittlerweile ändert sich das zum Glück, es gibt coole Frauen als Hauptprotagonistinnen. Ein gutes Beispiel ist The Last of Us, da ist die Hauptprotagonistin queer.“
Zuerst die Schule, dann das Training
Die österreichischen E-Sport-Profis sind sich einig, dass es in Österreich derzeit sehr schwer ist, nur vom E-Sport zu leben. Wer sich aber trotzdem sicher ist: „E-Sport ist mein Traum-Job“, dem raten Yvonne Scheer und Georg Bauer: „Macht zuerst die Schule fertig!“ Und dabei müssen sich E-Sport und Schule gar nicht immer im Weg stehen, wie skandinavische Länder zeigen: Hier findet E-Sport schon im Schulunterricht statt. Ansonsten empfiehlt Counter-Strike-Spieler Bauer Interessenten, dass sie mit Leuten sprechen, die auf Profi-Niveau spielen. Außerdem sollen sie auch körperliche Fähigkeiten trainieren, etwa die Hand-Augen-Koordination. Denn anders als manches Klischee vermuten lässt, seien „E-Sportler keine unsportlichen Nerds, die daheimsitzen und Computer spielen.“
Wer Profi werden will, muss auf sich aufmerksam machen. „Im richtigen E-Sport wird man normalerweise von Scouts entdeckt“, sagt Yvonne Scheer. Mit Verträgen wird dann vereinbart, wie viel Geld die Spieler im Monat verdienen. Dafür müssen sie aber sehr viel tun, etwa Interviews geben, Erklärvideos machen und auf Twitch streamen. Noch ist der Weg steinig, aber der E-Sport steht in Österreich noch ganz am Anfang.
Jana Unterrainer