So mancher Deutscher, der sich beim 1:2 von Argentinien gegen Saudi-Arabien zum WM-Auftakt ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, wurde von seiner eigenen Nationalelf am Mittwoch auf den harten Boden bitterster Realität geholt. So wie ihr Finalgegner von 2014 verpatzten auch die Deutschen ihren Start in Katar in desaströser Manier, verloren gegen Japan mit 1:2. 2018 gab es in Russland zum Auftakt ein 0:1 gegen Mexiko und die Misere nahm ihren Lauf. Auch diesmal könnte früh Schluss sein. Genauer gesagt schon am Sonntag. Da treffen die Mannen von Hansi Flick auf Spanien. "Wir haben die Qualität, die Spanier zu schlagen", sagte ein sichtlich bedienter Bundestrainer direkt nach der Partie. Danach musste man ein furioses 7:0 der Spanier gegen Costa Rica zur Kenntnis nehmen. "Jetzt haben wir den Salat", brachte es Thomas Müller auf den Punkt.

Doch was war geschehen? Eigentlich dominierten die Deutschen den Gegner zumindest in Hälfte eins, zeigten keine beeindruckende, aber eine solide Partie. Die Führung durch Elfmeterschütze Ilkay Gündogan war auch verdient, erst in Hälfte zwei begannen die Stricke zu reißen. Und einer, der sich mit Kritik überhaupt nicht zurückhalten konnte, war der dem DFB so wohl gesonnene Ex-Kapitän und Weltmeister von 2014, Bastian Schweinsteiger. Als ARD-Experte holte er zum Rundumschlag gegen ehemalige Mitspieler aus. Beim 1:1 analysierte er einen klaren Abwehrfehler von Niklas Süle, der aufgrund mangelnder Außenverteidiger von internationalem Format vom Innen- zum Außenverteidiger umgeschult wurde.

Schweinsteiger: "Das war ganz, ganz schlecht"

Doch danach bekam auch Bayern-Star Leon Goretzka sein Fett ab: "Er versucht danach noch den Ball mit einer Grätsche zu bekommen, kriegt ihn nicht und bleibt dann stehen. Das mag ich nicht. Das ist nicht gut, das ist ganz, ganz schlecht. Das Verhalten hat mir nicht gefallen", sagte "Schweini" mit ernster Miene im Beisein von Flick im Studio.

Dass Süle dann auch ein Abseits vor dem 1:2 in billigster Manier aufgehoben hatte, lag den Deutschen ebenfalls im Magen. Schweinsteiger: "Wir haben wieder große Fehler gemacht in der Defensive. Solange wir das machen, werden wir die Spiele verlieren, so einfach ist es." Im Mittelfeld würde bei den Deutschen ein Überangebot herrschen, ob Joshua Kimmich in Anbetracht der Schwäche von Süle rechts und Niko Schlotterbeck zentral innen vielleicht doch eine Alternative als Außenverteidiger wäre, muss Flick beurteilen.

Auch eine Systemumstellung gegen Spanien steht schon im Raum. So auch ARD-Experte und Weltmeister Sami Khedira: "Stellt sich die Systemfrage? Für mich ja! Ich bin eigentlich kein Freund von 'es lag am System'. Wenn wir uns den Kader anschauen, haben wir keine klaren Rechts- und Linksverteidiger", der klar ansprach: "Bei dieser Niederlage muss man auch Hansi Flick mitnehmen." Denn: "Wir haben in der Halbzeit unser Herzstück aufgegeben. Verlierst du das Mittelfeld, verlierst du das Spiel." 

Immer weniger Deutsche interessiert die WM

So weit, so verzwickt, präsentiert sich die Lage also. Viel Zeit bleibt nicht, Deutschland helfen nur mehr Siege. Und so hart die Kritik der ehemaligen Weltstars und nunmehrigen TV-Analytiker ist, sie kommt bei Weitem nicht mehr so oft an, wie bei vergangenen Weltmeisterschaften. Denn nicht einmal zehn Millionen Deutsche verfolgten den Auftakt im TV mit.

Ein historischer Tiefstwert, schließlich lag die Einschaltquote meist bei über 20 Millionen Zusehern, bei der WM in Russland kratzten die Deutschlandspiele trotz des Misserfolgs fast an der 30-Millionen-Marke. Noch kam überhaupt kein WM-Spiel in Deutschland über die zehn Millionen.