Die 10.000 Zuschauer im ausverkauften Stutteri Ask Stadium in Herning, in dem sonst der FC Midtjylland Fußball spielt, waren schon bei den Dressur-Bewerben der vergangenen Tage nicht gerade verhalten. Aber bei der Grand Prix Kür zur Musik, dem finalen Bewerb der Weltmeisterschaft im großen Viereck, kam unter dem Flutlicht so richtig Feierlaune auf.
Mehr als der oder dem einen oder anderen Reiterin bzw. Reiter wahrscheinlich lieb war, deren Pferde sich vom beherzt zum Takt der Musik klatschenden Publikum - darunter auch Kronprinzessin Mary von Dänemark - irritieren ließen. Immerhin gab es mit "(I’ve Had) The Time of My Life" aus Dirty Dancing, "Total Eclipse of the Heart" von Bonnie Tyler oder "La Isla Bonita" von Madonna den einen oder anderen Gassenhauer zu hören. Die 1980er waren an diesem Abend insgesamt schwer angesagt.
Die besten 15 Paare aus dem Grand Prix Spezial am Montag, in dem zum ersten Mal um Einzelmedaillen geritten wurde, hatten sich für die Kür qualifiziert. Der für die Steiermark reitende, gebürtige Wiener Florian Bacher und sein 13-jähriger Wallach Fidertraum OLD verpassten den Einzug in den beim Publikum so beliebten Schlussbewerb denkbar knapp um 0,502 Prozentpunkte. Maximalen Grund zur Freude hatten hingegen die Equipes aus Dänemark, Schweden und Großbritannien, die mit je drei Reitern die maximale Anzahl pro Land in der Kür am Start hatten.
Die Top 5
"Who's that girl?" hauchte Madonna zum Auftakt der Kür von Gareth Hughes (GBR). Classic Briolinca - so heißt seine 16-jährige Stute, die zu diesem, aber auch anderen Hits der Queen of Pop tanzte. Ihre Stärken in Passage und Piaffe hatte sie schon im Mannschaftsbewerb (Silber für Großbritannien) ausgespielt, ihr Reiter - in der Dressurwelt eigentlich als Mister Detail bekannt - hatte bei der Siegerehrung trotz Covid-Infektion allerdings auf Maske und Abstand vergessen. Dennoch: 84,043 Prozent - Platz 5.
Die amtierende Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl (GER) steht kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes und fiebert auf der gemeinsamen Reitanlage im bayrischen Aubenhausen mit ihrem Bruder Benjamin Werndl mit. Für ihn und den 13-jährigen Famoso OLD ist es die erste WM - und sie sind über sich hinaus gewachsen in den letzten Tagen. Wie seine Schwester steht Werndl für feines Reiten, der Sitz nahe an der Perfektion. Eine beschwingte Kür zu afrikanischen Klängen, mit höchstem Grad an Harmonie zwischen Reiter und Pferd - und sehr wenigen und sehr kleinen Fehlern. Der undankbare vierte Platz.
Die Medaillengewinnerinnen
"Ready or not, here I come, you can't hide" von den Fugees - klare Ansage von Dinja van Liere (NED) und Hermes, die schon im Grand Prix Spezial Bronze holten. Die Niederländerin setzte den zehnjährigen Hengst wiederum gekonnt in Szene und katapultierte sich aufs Treppchen. 86,900 Prozent, das machte abermals Bronze.
Die Musik aus dem Musical "Les Miserables" trug Lokalmatadorin Cathrine Laudrup-Dufour (DEN) mit ihrer Nachwuchshoffnung Vamos Amigos durch die Lektionen. Erst zehn Jahre ist der Wallach alt, der diese Kür mit hohem Schwierigkeitsgrad so routiniert geschultert hat, auch wenn die Piaffen noch nicht ausgereift sind und er in der Anlehnung immer wieder zu eng wird. Silberne 89,411 Prozent.
Passage zum Auftakt mit "Another One Bites the Dust" von Queen - ja und wenn ein Pferd dieser Tage in Herning Staub aufgewirbelt hat, dann war es der erst elfjährige Hengst Glamourdale unter Charlotte Fry (GBR). Mannschaftssilber und Gold im Grand Prix Spezial haben die beiden bereits auf ihrem Konto verbuchen können - auch in der Kür gab es an den beiden kein Vorbeireiten.
Der Rappe ist mit exzeptionellen Grundgangarten gesegnet, der starke Galopp ließ auch heute wieder ein Raunen durch das Stadion gehen. So spektakulär sieht man das selten - wenn überhaupt. Fehler in den Einerwechseln, Patzer in den Pirouetten, aber davon abgesehen eine mitreißende Kür untermalt von "Hey Jude" von den Beatles, "Millenium" und „She’s the one” von Robbie Williams, "Bitter Sweet Symphony" von The Verve und anderem "Best of British". 360-Grad-Fächerpirouette zu "God Save the Queen" zum großen Finale. Stimmung pur, Standing Ovations, 90,654 Prozent - und Gold. "Es war erst die zweite internationale Kür, die wir gemeinsam geritten sind und das mit neuer Musik - ich hatte nicht einmal daran gedacht, auf über 90 Prozent zu kommen", sagte Fry bei der Siegerehrung sichtlich gerührt.
Hier finden Sie die Ergebnisse der Grand Prix Kür im Detail.