Wäre der Grad der Nervosität messbar, hätte nur eine nach oben offene Skala die Aufregung von Carsten Jancker aufzeichnen können. Der Trainer von DSV Leoben wollte permanent auf der Bank Platz nehmen, aber das Sitzfleisch reagierte überempfindlich. Hin- und hergerissen wurde der Deutsche vom Cupmatch seiner Mannschaft gegen den aus der Bundesliga nach Donawitz herabgestiegenen TSV Hartberg. Janckers Berufskollege Klaus Schmidt ließ sich äußerlich nichts anmerken. Sein Spielraum beschränkte sich auf zwei Quadratmeter. Die mit hohem Unterhaltungswert ausgestattete Partie wurde eine enge Angelegenheit, aber es sollte letztlich reichen für die Oststeirer. "Wäre es ganz blöd gelaufen, hätten wir durchaus rausfliegen können", meinte Schmidt. "Die Jungs können stolz auf ihre Leistung sein, aber um Hartberg zu schlagen, hätte sie perfekt sein müssen", resümierte Jancker.
Die Erwartungshaltung der Heimfans hatte in den Tagen vor dem steirischen Cup-Derby beachtliche Dimensionen angenommen. 2400 von ihnen wollten es sich nicht nehmen lassen, Augenzeugen einer mutmaßlichen Fußballsensation zu werden. Es herrschte enorme Zuversicht, als Regionalliga-Aufsteiger einen Erstliga-Klub aus dem Bewerb bugsieren zu können. Nur Jancker hatte Vorsicht walten lassen und zu realistischer Einschätzung geraten.
Keine Zweiklassengesellschaft
Das Match enthielt keine typischen Merkmale einer Zweiklassengesellschaft. Der Außenseiter begehrte auf gegen die festgeschriebene Hierarchie und hielt die mit ansehnlichem Tempo ausgestattete Partie offen. Die erste Großchance vergab der von der Hartberger Abwehr völlig übersehene Florian Freissegger noch (20.), aber dann traf Thomas Hirschhofer nach einer zu kurz abgewehrten Flanke per Kopf zur gar nicht unverdienten Führung.
Plötzliche Wende
Der Stimmungspegel in der DSV-Arena schlug stark nach oben aus, verhallte jedoch wenige Minuten später. Okan Aydin hatte per Weitschuss ausgeglichen. Dann besannen sich die Gäste ihrer spielerischen Möglichkeiten und schlossen eine schöne Kombination mit dem 2:1 durch Jürgen Heil ab. "Die Leobner sind mit großem Selbstvertrauen aufgetreten, aber mit dem Doppelschlag haben wir die Partie ein bisschen entschärft", erklärte Schmidt.
Jancker verschwand blitzartig in der Kabine und in den ersten zehn Minuten nach der Pause wirkten die DSV-Kicker wieder wie aufgedreht. Der Ausgleich ließ sich aber nicht erzwingen. Leoben-Torhüter Zan Pelko verhinderte nach etwas mehr als einer Stunde mit einer Glanzreaktion bei einem sehenswerten Aydin-Schuss die frühzeitige Vorentscheidung.
Die Leobener dachten nicht daran, sich den von der Papierform vorgegebenen Richtlinien zu unterwerfen und fanden gegen etwas zu passiv gewordene Hartberger in der von bengalischen Rauchschwaden begleiteten Schlussviertelstunde noch einige gute Ausgleichschancen vor. Die Oststeirer spielten mit dem Feuer, verbrannt haben sie sich nicht. Jancker tröstete sich mit dem Gedanken an die Regionalliga. "Wir haben eine richtig starke Mannschaft."