Nach Misserfolgen dauert es meist nicht lange, bis der Ruf nach einem Umbruch kommt. Diese Phase der Mannschaftsgestaltung steht nun auch den Bayern bevor. Zorn der Fans und Rat der Experten macht auch vor großen Namen nicht halt. Mit Robert Lewandowski geht sogar der Erfolgsgarant der vergangenen Jahre in eine unsichere Zukunft. Der Vertrag des 33-Jährigen läuft im nächsten Jahr aus. Schon vor der Rückspiel-Pleite gegen Villarreal machten Gerüchte die Runde, dass das Arbeitspapier nicht verlängert werden soll. Ein Wechsel nach dieser Saison wird von den Münchnern dementiert.
Im aktuellen Kader befindet sich kein gleichwertiger Ersatz. Eric Maxim Choupo-Moting ist als Back-up auf der internationalen Bühne kein großer Name. Thomas Müller ist hinter der Spitze vom Mittelfeld aus gefährlicher und wäre als "falsche Neun" vielleicht in der heimischen Liga eine Variante, nicht aber in der Champions League. Dass der Pole von Pini Zahavi vertreten wird, scheint angesichts der monatelangen Posse rund um David Alaba nicht gerade förderlich. Der Spielerberater hat den Transfer des Wieners zu Real Madrid eingefädelt. Alaba ist dort erfolgreich, in München fehlt er.
Womit die Bayern-Abwehr ins Spiel kommt. Diese wird - jetzt erst recht - als international nicht konkurrenzfähig gesehen. Der Verlust Alabas hat den Eindruck verstärkt. Dayot Upamecano hat sich in seiner Premierensaison in München schon mehrere Schnitzer geleistet und scheint mit dem Druck am neuen Arbeitsplatz nicht klarzukommen. Niklas Süle hat mit seiner Ankündigung, zur neuen Saison nach Dortmund zu wechseln, für ein kleines Erdbeben gesorgt. Bisher fanden solche Transfers, zumindest bei Spielern auf ihren jeweiligen Top-Leveln, eher in die andere Richtung statt. Die von Trainer Julian Nagelsmann immer wieder - so auch beim 1:1 gegen die Spanier - aufs Feld geschickte Dreierkette liefert nicht immer. Spielerisch funktionierte es daheim allerdings deutlich besser als auswärts mit der Viererabwehr. Lucas Hernández hat die Erwartungen in München seit seinem Wechsel vor mittlerweile schon drei Jahren nie wirklich erfüllen können. Schwer getroffen hat die Bayern auch der Ausfall von Alphonso Davies, der nach einer Corona-Infektion mit Herzproblemen monatelang nur zuschauen konnte.
Was Neuzugänge betrifft, gibt die Gerüchteküche nicht viel mehr als die beiden Chelsea-Innenverteidiger Antonio Rüdiger und Andreas Christensen her. Gerade im Werben um den deutschen Nationalspieler ist man in einer Reihe mit Top-Klubs aus halb Europa. Eine ausgewiesene Abwehrschwäche geben die reinen Zahlen aber nicht wirklich her. Mit 29 Gegentoren stellt man die beste Defensive der Liga. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt schon 38 Gegentreffer. In den Jahren davor 30 und 29. Allesamt Meistersaisonen, versteht sich. Aber das ist eben "nur" die Liga.
Wenn der Erfolg rein in Titeln gemessen wird, ist die nationale Bühne zu wenig. Zumal das ansonsten in den eigenen Erwartungen fix eingeplante Double heuer nicht gefeiert werden kann. Die Hypothek des blamablen Ausscheidens im DFB Cup (0:5 gegen Gladbach) zieht sich durch die gesamte Saison. In der Champions League kann man zwar ausscheiden, aber nicht zweimal nacheinander im Viertelfinale und schon gar nicht gegen Villarreal, das sich gar nicht erst über die Liga, sondern über die Europa League qualifiziert hat.
Die Meisterschaft - die bei neun Punkten Vorsprung in sechs verbleibenden Spielen sicher scheint - ist schon lange nicht mehr genug. Druck auf Nagelsmann gibt es (derzeit) keinen. Es wird verlautbart, dass dem jungen Trainer auch Fehler zugestanden werden. Es bleibt die Frage, wie viele das sind. Niko Kovac wüsste die Antwort.