Die russischen und weißrussischen Athletinnen und Athleten dürfen an den Paralympics 2022 in Peking unter neutraler Flagge teilnehmen. Das hat das Internationale Paralympische Komitee (IPC) am Mittwoch nach der von Weißrussland unterstützten russischen Invasion in der Ukraine entschieden. "Sie werden unter der Paralympischen Flagge teilnehmen und nicht im Medaillenspiegel aufscheinen", hieß es in einer Stellungnahme des IPC. Die Spiele beginnen am Freitag und dauern bis 13. März.
Das IPC fällte die Entscheidung trotz Aufforderungen, die Sportlerinnen und Sportler von den Wettkämpfen auszuschließen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte diese Woche den Sportverbänden empfohlen, Mannschaften und Athleten aus Russland und Belarus zu suspendieren. Gleichzeitig fügte das IOC hinzu, dass sie als Neutrale antreten könnten, wenn zeitliche oder gesetzliche Einschränkungen ihren Ausschluss verhindern sollten.
Bei der Entscheidung sei das Komitee von den grundsätzlichen Leitlinien des IPC geleitet worden, die ein Bekenntnis zu politischer Neutralität und Unparteilichkeit sowie einen unerschütterlichen Glauben an die verändernde Kraft des Sports beinhaltet. "Das sind Schlüsselkomponenten der neuen IPC-Konstitution, die 2021 bei der Generalversammlung erst vor etwas über drei Monaten beschlossen wurde", so das IPC weiter.
Mehrere Sportverbände, darunter der Weltfußballverband FIFA und der Skiverband FIS, haben die Mannschaften und Athleten aus Russland und Belarus ausgeschlossen. Das IPC wollte demgegenüber augenscheinlich die betroffenen Länder bestrafen, aber nicht die Sportler darunter leiden lassen. "Ich erwarte nun von allen Teilnehmern, dass sie die neutralen Athleten wie jeden anderen Athleten bei diesen Spielen behandeln, egal wie schwierig dies auch sein mag", sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. "Im Gegensatz zu ihren jeweiligen Regierungen sind diese paralympischen Athleten und Funktionäre nicht die Aggressoren. Sie sind hier, um wie alle anderen an einem Sportereignis teilzunehmen."
Bis auf Weiteres wird das IPC aber keine Veranstaltungen in Russland oder Belarus durchführen. Die Exekutive sei sich "einig, dass die Verletzung des Waffenstillstands nicht ungestraft bleiben konnte". Die olympische Waffenstillstandsresolution, die von 193 Mitgliedstaaten der UN-Generalversammlung unterzeichnet wurde, fordert die Einhaltung des Waffenstillstands von sieben Tagen vor Beginn der Olympischen Winterspiele am 4. Februar bis sieben Tage nach Ende der Paralympischen Winterspiele am 21. März. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und weiteren Politikern und Funktionären wurden paralympische Orden und weitere Ehrungen aberkannt.
"Wofür wir uns entschieden haben, ist die härteste Bestrafung, die wir im Rahmen unserer Verfassung und der aktuellen IPC-Regeln verhängen können", sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. Nach den Spielen werde man "mit unseren 206 Mitgliedsorganisationen herausfinden, ob Verstöße gegen den Olympischen Waffenstillstand für zukünftige Paralympische Spiele zur möglichen Suspendierung oder dem Ausschluss führen können". Dabei sollen die Mitglieder auch entscheiden, "ob wir die Mitgliedschaft des Nationalen Paralympischen Komitees von Russland oder Belarus aussetzen oder beenden".
Zuvor hatten unter anderem das Internationale Olympische Komitee (IOC), Athleten aus der Ukraine und weitere Landesverbände in einem offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach und IPC-Chef Andrew Parsons den Ausschluss der Athleten aus Russland und Belarus gefordert.
Die Sitzung des Gouverning Boards des Internationalen Paralympischen Komitees fand während eines Zwischenstopps der österreichischen Delegation rund um ÖPC-Präsidentin Maria Rauch-Kallat und den letzten nach Peking reisenden Athletinnen und Athleten statt. Rauch-Kallat nahm digital teil und zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Länder wie Österreich oder Deutschland hatten zuvor noch einen Antrag auf einen kompletten Ausschluss gestellt. Ein Ausschluss von den Spielen wäre aber ein Verstoß gegen die eigenen Statuten gewesen, hieß es bei der Board-Sitzung. "Es ist eine Lösung, mit der wir leben können. Es wurde auch betont, dass die Betroffenen vor Ort gut behandelt werden müssen. Sie können nichts für die Situation", sagt Rauch-Kallat. Es gibt auch gute Nachrichten: Die rund 20 Teilnehmer aus der Ukraine sind inzwischen sicher und ohne Zwischenfälle in China gelandet.