Nach bald zwei Jahren Pandemie ist vieles noch im Unklaren. Das betrifft nicht nur den unmittelbaren Umgang mit Corona, sondern auch die langfristigen Auswirkungen. Belastbare Daten, wie viel der Leistungsfähigkeit einem eine Infektion rauben kann, gibt es nicht. Die Wissenschaft sucht nach Antworten auf diese Frage. Am Institut für Sportwissenschaft der Uni Wien läuft derzeit eine vielversprechende Studie. „Wir wollen die Leistungsfähigkeit nach einer Covid-Erkrankung im Verlauf von zunächst drei Monaten möglichst exakt untersuchen. Sind hauptsächlich die Couch-Potatoes von einer Leistungseinschränkung betroffen oder erwischt es in gleichem Ausmaß auch die Aktiven?“, erklären die Studienleiter Jürgen Scharhag und Rhoia Neidenbach.
Untersucht werden neben Parametern wie Sauerstoffaufnahme bzw. -sättigung oder Diffusionskapazität der Lunge auch psychosoziale Folgen. Derzeit besteht die Annahme, dass eine Arteriosklerose, also eine Verkalkung der Arterien, für einen schweren Verlauf und Langzeitfolgen sorgen kann. „Wirklich viel ist aber nicht bekannt, da muss noch einiges erforscht werden“, sagt Scharhag.
Derzeit könne im Vorfeld nicht abgeschätzt werden, wer anfällig für ein Long-Covid-Syndrom ist und wer nicht. Die Symptome gehen quer durch alle Generationen. Anders als beim Risiko für einen schweren Verlauf ist ein hohes Alter kein Indiz für eine höhere Wahrscheinlichkeit, mit Langzeitfolgen kämpfen zu müssen. „Long Covid kann sich auch bei Menschen mit einem milden Verlauf zeigen“, warnt Neidenbach.
Eine weitere Problematik ist die Tatsache, dass das häufig auftretende Chronic Fatigue Syndrom (Müdigkeit und Erschöpfung) nur schwer zu diagnostizieren ist. Laborparameter gibt es dafür keine. „Häufig findet man deshalb nichts bei Patienten, sodass Ärzte ratlos und Patienten verzweifelt ob einer fehlenden klaren Diagnose sind“, sagt Scharhag. Eine besonders gefährliche langfristige Auswirkung einer Corona-Erkrankung ist die Herzmuskelentzündung, die bei jungen und gesunden Sportlern bei rund einem Prozent der Erkrankten auftritt. Selbst bei leistungsfähigen Spitzensportlern kann das selbst bei gründlichen Untersuchungen nicht auffallen und bleibt damit häufig ein Zufallsbefund. Diese Spätfolge dürfte das Drama um den Eishockey-Profi Boris Sádecky von den Bratislava Capitals ausgelöst haben. Der erst 24-Jährige kollabierte während eines Spiels auf dem Eis und verstarb wenige Tage später. „Bei Sporttauglichkeitsuntersuchungen zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes suchen wir die Stecknadel im Heuhaufen“, weist Scharhag auf die Schwierigkeiten hin.
Gegenstand von Diskussionen ist auch der Gesundheitszustand von Bayern-Spieler Joshua Kimmich. Der 26-Jährige war wegen Infiltrationen in der Lunge zuletzt mehr als einen Monat lang außer Gefecht. „Auch wenn solche Erkrankungsverläufe bei jungen Profisportlern eher selten sein mögen, wissen wir bisher noch nicht, ob deren Leistungsfähigkeit dadurch akut verringert ist und wie sie sich im Verlauf verhält. Deshalb wollen wir dies für Sportler und Untrainierte untersuchen“, sagt Scharhag.
Drei Fragen an ...
Studienleiterin Rhoia Neidenbach:
Mit welchen Einschränkungen haben Menschen mit dem Long-Covid-Syndrom zu kämpfen?
Rhoia Neidenbach: Sehr häufig leiden Betroffene unter dem klassischen Fatigue-Syndrom. Also Müdigkeit und Erschöpfungszustände. Viele Patienten können ihren Alltag nicht so bewältigen, wie sie es gewohnt waren. Die Probleme können bis zur Arbeitsunfähigkeit führen. Typisch sind Kurzatmigkeit sowie eingeschränkte Leistungsfähigkeit mit erhöhter Herzfrequenz und psychosozialen Auswirkungen.
Was sind die größten Unsicherheiten nach einer Infektion?
Viele Patienten sind nach einer Covid-Erkrankung verunsichert und wissen nicht, wie weit sie sich belasten können. Das wird dadurch erschwert, dass es viele Empfehlungen gibt, die jedoch noch nicht spezifisch untersucht wurden. Mit den Ergebnissen unserer Untersuchung wollen wir den Patienten besser helfen und ihnen gezielte Programme an die Hand geben.
Wie viele Infizierte leiden an Long Covid?
Man geht davon aus, dass Long Covid rund 15 Prozent der Erkrankten betrifft. Was uns Sorgen bereitet, ist, dass alle Altersstufen betroffen sein können, auch Kinder oder Jugendliche. Da bislang zu wenig konkrete Angaben existieren, ist es notwendig, die Datenlage zu verbessern, damit wir nicht in einigen Monaten ein riesiges Versorgungsdefizit haben, weil wir nicht wissen, wie wir den Menschen helfen können.