Beim Auftakt der 70. Vierschanzentournee in Oberstdorf landeten die Österreicher im geschlagenen Feld. Wie fällt Ihr Resümee aus?
Mario Stecher: Das ist natürlich nicht positiv. Im Gegenteil, ich bin sehr unzufrieden mit den gezeigten Leistungen, wobei man Daniel Huber als Achten und Daniel Tschofenig, der seine erste volle Tournee springt, ausnehmen muss. Die beiden haben das erbracht, was man sich von ihnen erwartet. Bei manch anderen hatten wir uns aber gedacht, dass sie in der Spitze mithalten können, doch sind sie in alte Muster verfallen. Sie haben sich mit den Bedingungen sehr schwergetan und vor allem bei der Anfahrtshocke Schwächen gezeigt.
Gezeigt hat sich auch, dass das Abschneiden der gesamten Mannschaft mit der Leistung von Stefan Kraft steht und fällt.
So krass sehe ich es nicht. Das war vielleicht in den letzten Jahren so, doch sind wir heuer im Team breiter aufgestellt. Erstens haben wir mit Jan Hörl seit Langem wieder ein neues Siegergesicht, zweitens konnten wir bereits das Teamspringen in Wisla gewinnen und drittens hatten wir in der Oberstdorf-Qualifikation vier Springer in den Top zwölf. Wenn es einer davon aufs Podium geschafft hätte, hätten alle gesagt, wie super wir sind. Außerdem sind wir nicht die einzige Nation, die sich momentan mit dem Balanceakt schwer tut. Wir brauchen nur wieder ein paar gute Sprünge, dann können wir auch wieder gewinnen.
Worauf liegt nun der Fokus bei den ausstehenden drei Tournee-Stationen?
Der Gesamtsieg ist nicht mehr möglich, wir konzentrieren uns nun auf die einzelnen Bewerbe und glauben, dass wir noch eine gute Tournee springen können. Ziel muss es sein, die Fehler zu minimieren. Ich bin froh, dass wir eine Mannschaft gesehen haben, die keine hervorragenden Platzierungen und Fehler gemacht hat. Schlimmer wäre es, wenn wir keine Fehler gesehen hätten und sie dennoch nicht gewinnen könnten.
Im Skispringen steht der Videobeweis ante portas. Er soll es den Kampfrichtern erleichtern, den Aufsprung der Athleten fairer zu bewerten. Was halten Sie davon?
Im Prinzip ist das eine Tatsachenentscheidung und die Kampfrichter sollten in der Lage sein, das gut genug zu sehen und zu bewerten. Andererseits ist es ein probates Mittel, um das Skispringen fairer zu machen – aber es sollte dadurch keinesfalls komplizierter werden, als ohnehin schon ist.
Sie sprechen die Windkompensationspunkte an?
Bei einem Springen mit viel Wind ist es gut, mit Lukenverschiebungen einen Bewerb durchzubringen. Sind die Bedingungen hingegen fair, sollte man dieses Tool so wenig wie möglich einsetzen und zum Beispiel die Top zehn geschlossen von derselben Luke springen lassen. Das war in Oberstdorf nicht der Fall und hat Einfluss auf den Ausgang des Bewerbs genommen. Man hätte ruhig fünf Minuten zuwarten können – immerhin ist es einer der wichtigsten Wettkämpfe im Jahr. Da wäre mehr Fingerspitzengefühl gefragt.
Auch die Frauen sind dieses Wochenende mit zwei Weltcupspringen in Ljubno im Einsatz. Im Gegensatz zu den Herren läuft es dort aus österreichischer Sicht derzeit bestens, oder?
Definitiv. Dort sind wir als geschlossenes Team stets mit vier, fünf Springerinnen vorne platziert. Und dazu kommt natürlich die derzeit alles überragende Sara Marita Kramer, die auf einem extrem hohen Level springt und für ihre ehrgeizige Arbeit belohnt wird.
Im Rahmen der Vierschanzentournee wird auch das Thema einer Tournee für die Frauen wieder heiß gekocht. Wie ist da der Letztstand?
Der ÖSV ist ein klarer Befürworter der Villacher Variante, die Pläne dafür wurden bereits im Sommer eingereicht. Schon nächste Saison soll Villach sein eigenes Weltcupspringen der Frauen haben – und zwar knapp vor Ljubno. Dann könnte man künftig zum selben Zeitpunkt der Herren-Tournee mit Italien vielleicht sogar als Dreiländer-Tournee auftreten.
Also sind sie gegen eine Frauen-Tournee, die in die Vierschanzentournee und deren Standorte eingebunden werden soll?
Ja, denn es soll ein Produkt sein, das Hand und Fuß hat und sich weiterentwickeln kann. Die Frauen haben sich mehr verdient, als nur einen Schnellschuss, der zur Randnotiz zur Herren-Tournee zu werden.