1. Woran liegt es, dass es momentan so viele Meldungen über Profisportler mit Herzproblemen gibt?
Für Jürgen Scharhag, Professor an der Universität Wien und Vorstand des Österreichischen Instituts für Sportmedizin, liegt das am Fall Christian Eriksen. Der Däne hat bei der Europameisterschaft einen plötzlichen Herztod nur knapp überlebt und somit den Fokus auf das Thema Herzmuskelerkrankungen gerichtet. „Die Sensibilität ist gestiegen, Meldungen dieser Fälle gehen um die Welt. Die medizinischen Daten geben eine signifikante Häufung aber nicht her“, sagt Scharhag, der auch Autor einer Studie zum Thema plötzlicher Herztod für die FIFA ist.
2. Wie lautet das Fazit?
Über einen Zeitraum von fünf Jahren (2014 bis 2018) wurden 617 plötzliche Todesfälle von Fußballern aus 67 Ländern registriert. In 142 Fällen war ein plötzlicher Herzstillstand die Ursache. 95 Prozent der Todesfälle sind auf Amateur-Ebene passiert. Bekannteste Fälle im Profifußball waren Marc-Vivien Foe und Davide Astori.
3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Corona bzw. der Impfung und Herzerkrankungen?
Das haben Experten zu Beginn der Pandemie noch befürchtet. Hier gibt der Sportmediziner aber Entwarnung. Laut Daten liegt bei Sportlern das Risiko für eine Herzmuskelentzündung nach einer COVID-Erkrankung bei einem Prozent. Und die Corona-Impfung werde von Sportlern sehr gut vertragen. „Mir ist bis dato kein Sportler bekannt, der durch die Impfung einen Schaden genommen hat. Das Risiko ist durch die Erkrankung selbst viel höher“, sagt Scharhag.
4. Hat sich der Lockdown negativ ausgewirkt?
Bei Profis nein, bei Hobbysportlern möglicherweise. Berufssportler haben generell ein viel geringeres Risikoprofil und werden öfter und genauer untersucht. Amateure konnten auf diese Vorteile beim Wiedereinstieg in den Sport nicht zurückgreifen. „Wenn man an Gewicht zugenommen und sich der Fettstoffwechsel im Lockdown verändert hat, kann es auch zu fortschreitenden Entzündungsprozessen im Bereich verkalkter Herzkranzgefäße kommen“, sagt Scharhag. Eine große Gefahr bilden auch übergangene Erkrankungen, die in eine Herzmuskelentzündung übergehen können.
5. Was bedeutet das für Hobbysportler, die sich jetzt Sorgen um die eigene Verfassung machen?
Statistisch gesehen, trifft der plötzliche Herztod im Schnitt etwa einen bis drei von 100.000 Sportlern pro Jahr. Das Risiko ist laut Medizinern also nach wie vor äußerst gering. Was sich verändert hat, sei auch die Wahrnehmung solcher Fälle. Viele dieser Fälle wären vor Jahren noch mit dem Wort „kollabiert“ abgetan worden.
6. Ist der plötzliche Herztod eine Art Zeitbombe, die jeden treffen kann?
Hier muss man unterscheiden. Betroffene unter 35 haben in der Regel eine angeborene Herzerkrankung. Manche Erkrankung kann trotz gründlicher Untersuchungen unentdeckt bleiben. „Ich kenne die Ärzte, die Eriksen untersucht haben. Wenn man etwas hätte entdecken können, dann hätten sie das sicherlich entdeckt. Ab 35 Jahren sind Verkalkungen der Herzkranzgefäße die häufigste Ursache. Diese können vom Lebensstil positiv oder negativ beeinflusst werden. Ähnlich verhält es sich auch beim Thema Schlaganfall.
7. Ist es ratsam, mit einer solchen Erkrankung Sport zu betreiben?
Bei niedrigen Herzfrequenzen bis etwa 130 ist man laut Sportmedizin eher auf der sicheren Seite. Wenn die Belastung höher wird, steigt damit automatisch auch das Risiko. Ein implantierter Defibrillator fördert nicht die Leistung, sondern hilft nur lebensbedrohliche Rhythmusstörungen zu beenden.