"Er hat uns ins Gesicht gelogen, er ist die größte Enttäuschung.“ Worte, die erahnen lassen, wie emotional es gerade in den höchsten Ebenen des europäischen Fußballs zugeht. Der Vorwurf kommt von UEFA-Präsident Aleksander Čeferin. Bei dem Lügner soll es sich um Andrea Agnelli handeln, milliardenschwerer Automobil-Erbe, Präsident von Juventus Turin und Vater von Čeferins Patentochter. Zwei Funktionen und eine persönliche Verbindung, die sich unmöglich mit der neuesten Aufgabe des 45-Jährigen vereinbaren lassen: Vizepräsident der Super League. „Ich war Strafverteidiger und habe da viele komische Leute kennengelernt. Aber so etwas habe als Strafverteidiger nicht erlebt. Die Gier ist so stark, dass die menschlichen Werte sich in Luft auflösen“, redete sich der UEFA-Chef in Rage und spricht damit Millionen von Fußball-Fans aus der Seele.
In den Köpfen und Hinterzimmern der Eigentümer und Präsidenten haben sich die Pläne für eine noch finanzkräftigere Alternative zur ohnehin milliardenschweren Champions League schon vor Jahren festgesetzt. 2018 ist das Vorhaben über die Enthüllungsplattform Football Leaks einer breiten und schon damals entsetzten Öffentlichkeit bekannt geworden.
Federführend für die Ausarbeitung und Umsetzung der in Anlehnung an die exorbitant gierige und über Leichen gehende Filmfigur aus „Wall Street“ höhnisch auch als Gordon-Gecko-League bezeichneten neuen Weltordnung des Fußballs ist Florentino Pérez als designierter Chef der Super League. Wie Agnelli ist der 74-jährige Präsident eines Gründungsvereins (Real Madrid) und Unternehmer. Der Ingenieur und spätere Politiker aus der spanischen Hauptstadt hat es während der Franco-Ära zu einer ansehnlichen Karriere im kommunalen Bauwesen gebracht. Als Chef eines der größten Bauunternehmen Spaniens wurde Pérez Anfang des Jahrtausends zum Milliardär. „Jetzt machen wir das, um den Fußball zu retten, der sich in einer kritischen Situation befindet“, rechtfertigt der Präsident der hoch verschuldeten Königlichen den umstrittenen Schritt.
Während Agnelli und Perez nun weltweit zu Feindbildern wurden, hat der Dritte im Bunde, Joel Glazer, mit dieser Zuschreibung schon Erfahrung. Der – erraten – ebenfalls milliardenschwere Unternehmer ist Vizepräsident der Super League und unbeliebter Eigentümer des englischen Rekordmeisters Manchester United. Der Traditionsverein ist nicht die einzige Spielwiese des Erben der amerikanischen Immobilienholding „First Allied Corporation“. Der 51-Jährige aus Florida ist Vizepräsident des amtierenden Super-Bowl-Siegers Tampa Bay Buccaneers. In England war die Glazer-Familie immer wieder seit der ManUnited-Übernahme 2005 Angriffen von wütenden Anhängern ausgesetzt. Seit Jahren wurde deshalb kein Glazer im Old Trafford mehr gesichtet. Die geballte Wut der Fans aus Manchester dürfte Vorgeschmack darauf sein, was Präsidenten und Eigentümer der Super-League-Gründer demnächst bevorstehen könnte.