Hallo Thomas, schon länger nichts mehr von Ihnen gehört! Wie geht es?
Ah, du rufst an, um mir zu meinem Jubiläum zu gratulieren?

Äh, welches Jubiläum?
Ich bin vor 15 Jahren in Turin Doppel-Olympiasieger geworden.

Stimmt – herzliche Gratulation. Aber eigentlich wollte ich mit Ihnen über die WM in Oberstdorf reden. Dort haben Sie sich 2005 zum Doppelweltmeister in der Mannschaft gekrönt. Ist Ihr Stern damals so richtig aufgegangen?
Nein, das war im Winter danach. Aber es stimmt schon – vor der WM hatte ich erst einen Weltcupsieg, doch es war schon meine zweite WM nach Predazzo 2003, wo ich als Ersatzmann zu meinem Debüt kam.

Welche Erinnerungen haben Sie an die beiden WM-Goldenen?
Auf der Normalschanze haben wir uns schon etwas ausgerechnet. Ich war im ersten Durchgang mit 100 Metern der Weiteste. Im zweiten hat es heftig zu schneien begonnen und mich hat es vor dem Absprung so hergebremst, dass ich nur auf 80 Meter kam. Da hatte ich befürchtet, es vergeigt zu haben, doch Martin Höllwarth bewies Nervenstärke und hat uns noch Gold gerettet. Der Sieg auf der Großschanze war viel überraschender – da bin ich bei der Landung beinahe gestürzt. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Meine Leistungen in den Einzel-Bewerben habe ich hingegen verdrängt.

Können Sie sich noch an die Stimmung im WM-Ort erinnern?
Natürlich, die war sensationell. Vielleicht die beste nach Oslo 2011. Es war alles super organisiert, es waren viele Fans da und wir hatten ein Österreicher-Haus. Es war quasi eine Heim-WM. Wir haben im Hotel Oberstdorf gewohnt und da ist auch mein Pokal zu Bruch gegangen. Den von der Großschanze finde ich leider auch nicht mehr. Aber ansonsten habe ich noch alle Medaillen und Pokale bei mir daheim in einer Vitrine stehen. Das schaut schön aus und dort stehen sie mir nicht im Weg.

Heuer wird es leider eine WM ohne Zuschauer.
Ich war im Jänner beim Tourneefinale in Bischofshofen – dort war es ohne Fans extrem trostlos. Aber für die Athleten ist es mittlerweile ja schon zur Normalität geworden. Obwohl es mit Fans natürlich etwas Anderes ist. Da kann sich schon ein ganz anderer Druck aufbauen.

Was hat sich im Skispringen seit 2005 verändert?
Vor allem beim Material hat sich viel getan. Wir hatten damals beim Anzug den Schritt noch unten bei den Knien und bei der Bindung noch das Band. Wind- und Gatekompensationen hat es auch noch nicht gegeben. Ist der Wind in einem Bewerb vor den letzten drei zu stark geworden, mussten wir den Durchgang wiederholen.

Was darf man sich von den ÖSV-Adlern heuer erwarten?
Die bisherige Saison war aufgrund der Coronafälle und Stefan Krafts Rückenproblemen nicht einfach. Aber Oberstdorf liegt ihm – ich traue ihm viel zu. So, wie auch dem Team auf der Großschanze. Im Einzel ist für mich Seriensieger Halvor Egner Granerud der logische Favorit auf der großen, auf der kleinen Dawid Kubacki.

Sie sind noch mit Cheftrainer Andreas Widhölzl gesprungen. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Er ist ein super Typ und hat mir damals immer Tipps gegeben. Als Trainer ist er sehr engagiert, geht auf die Athleten ein, pflegt mit ihnen ein freundschaftliches Verhältnis und ist nicht nur autoritär.

Ihr Ex-Teamkollege Gregor Schlierenzauer verpasst die WM. Können Sie nachvollziehen, warum er noch weitermacht?
Klar, es ist die Leidenschaft und er ist erst 31 Jahre alt. Im Skispringen kann es schnell gehen. Ich drück ihm die Daumen, dass er es wieder nach oben schafft.