Mit drei Punkten gegen den WAC würde Sturm sozusagen rückwirkend Winterkönig werden. Hätten Sie den Grazern das zugetraut?
Ganz klar, nein. Das ist die Überraschung der Herbstrunde. Das ist sensationell, was Sturm auf den Rasen gezaubert hat. Das war so nicht zu erwarten. Manager Andreas Schicker hat mit bescheidenen Mitteln eine super Arbeit gemacht und die Mannschaft clever verstärkt.
Wie schätzen Sie das "System Ilzer" ein? Sturm hat in elf Spielen bisher nur fünf Tore kassiert.
Das täuscht vielleicht sogar ein bisschen. Sie sind nicht bei jenen Mannschaften dabei, die am wenigsten Chancen zulassen. Sie spielen sehr erfrischenden Fußball und sind nicht auf das Umschaltspiel zu reduzieren. Mit Jörg Siebenhandel haben sie den derzeit vielleicht besten Tormann der Liga und Jakob Jantscher hat gefühlt seinen dritten Frühling.
Ist Sturm sogar der Titel zuzutrauen?
Nein. Sie haben einen guten Lauf. Um das über eine lange Zeit abzurufen, reicht aber die Qualität nicht. Die Punkteteilung spielt ihnen auch nicht in die Karten, die hinteren Mannschaften werden näher aufrücken. Und speziell mit Salzburg gibt es in der Liga eine Mannschaft, an der kein Weg vorbeiführt.
Beim WAC musste vor dem Saisonstart wie so häufig wieder eine neue Mannschaft gefunden werden. Wie wird diese Arbeit wahrgenommen?
Absolut großartig. Da wird einfach richtig gut gearbeitet und es gelingt immer wieder, das Maximum aus den Möglichkeiten herauszuholen.
Der WAC verliert nicht nur Spieler, sondern auch immer wieder Trainer. Ist Ferdinand Feldhofer der nächste, der zu "Höherem" berufen sein könnte?
Wenn man so gut arbeitet wie er, dann ist das der Lauf der Dinge. Ich glaube aber, dass er weiß, was er am WAC hat. Er strahlt Demut aus und macht keine großen Sprüche. Sie sind schlecht gestartet und haben die Kurve bekommen. Als Trainer kannst du die Mannschaft in so einer Phase schnell verlieren, wenn du nicht die richtigen Knöpfe drückst.
Michael Liendl ist beim WAC weiter der zentrale Punkt. Er ist zwei Jahre jünger als Sie. Wie geht man mit der körperlichen Belastung um?
Es ist immer die Voraussetzung, dass man sich imstande fühlt, mithalten zu können. Er spielt auf einer Position, wo er nicht die ganz schnellen Sprints machen muss und auch mit dem Auge spielen kann. Er war immer schon ein verdammt guter Techniker. Ich finde es schade, dass er international nicht den ganz großen Durchbruch schaffen konnte. In den entscheidenden Phasen hat da das nötige Glück gefehlt.
Sein Vertrag läuft in weniger als sechs Monaten aus.
Ich bin sehr gespannt, wann der Verein verlängert. Natürlich hat Corona die Karten finanziell neu gemischt. Wenn der Verein aber lange zuwartet, bis er auf einen Spieler zukommt, dann kann das auch Zweifel streuen und sich negativ auf die Rückrunde auswirken.
Bei seinem einzigen Länderspiel wurde er gleichzeitig mit Ihnen eingewechselt. Warum hat es für ihn im Nationalteam nicht gereicht?
Er hat das Pech gehabt, dass wir im Mittelfeld zu der Zeit immer gute Spieler herausgebracht haben. In der Zeit der Euro-Quali für Frankreich wurde generell wenig durchwechselt. Oft bist du auch ein Opfer von Geschmack und Philosophie des Trainers.
Sie sind in Österreich weit über das Sportliche hinaus dafür bekannt, eine klare Haltung zu vertreten. Wie schätzt du aktuell die Performance der Regierung ein?
Ich möchte nicht mit Fingerzeigen arbeiten. Corona ist eine Situation, für die es keinen Plan in der Schublade gab. Es sind sicher viele Fehler passiert, aber im Nachhinein ist man immer klüger. Ich würde mir nur einen offeneren Umgang damit wünschen. Vielleicht raten ja die Berater, dass man ja keinen Fehler zugeben darf. Die Taktik auch einmal zu ändern ist aber nicht nur im Sport wichtig.
Sie haben einmal gesagt, dass die Regierung "wie ein Trainer-Team" ist. Wenn der Erfolg ausbleibt, ist der Trainer meist der Erste, der gehen muss.
Das ist immer auch eine Frage der Alternativen. Die Regierung wurde gewählt und es wird auch wieder gewählt werden. Ich glaube aber, dass sie alle Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen haben. Alle, die jetzt den Mund aufmachen, können ja ihre Strategie offenlegen und nicht immer im Rückspiegel alles mit dem Rotstift ausbessern.
Werden Sie sich impfen lassen, wenn Sie an der Reihe sind?
Ja. Ich halte es mit Kant und sage, "die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt". Wenn ich mich nicht impfen lasse und in ein Flugzeug steige, wie kommen dort alle anderen dazu, dass ich sie anstecke?
Sie waren vor Wochen Teil einer Riege bekannter Österreicher wie André Heller und Cornelius Obonya, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos eingesetzt hat. Seitdem ist nicht viel passiert. Sind Sie von der Politik enttäuscht?
Enorm. Es ist unerträglich, sich überhaupt nur die Bilder anzusehen. Ich möchte mich gar nicht erst in die Lage hineinversetzen, wie es ist, so vor sich hinvegetieren zu müssen. Es ist einfach traurig was das passiert. Das betrifft auch die Beweggründe.
Welche sind das aus Ihrer Sicht?
Man handelt nicht aus Überzeugung, dass das so richtig ist. Diese Politik wird auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Da wird mir ganz schlecht, wenn ich daran denke, dass es meinen Kindern so gehen müsste.