"Tausendsassa.“ Ein Wort, das zur Charakterisierung von Hubert Neuper durchaus des Öfteren gebraucht worden ist. Klar, war „der Hupo“ doch Spezialist im Neuerfinden der eigenen Person, im Einnehmen diverser Rollen. Er erfand auch diverse neue Wege, ersann neue Veranstaltungen und machte aus Visionen Realität. Er war ein Hans Dampf in allen Gassen, kämpfte um Omnipräsenz, suchte Selbstverwirklichung und Erfolge.

Im September beging er seinen 60. Geburtstag – und ist mittendrin, sich wieder neu zu erfinden. Oder besser: sich endlich selbst zu finden. Oder besser für sich selbst den Platz zu finden, „an dem man wachsen kann. An dem man nicht nur flach wurzelt, sondern wo die Wurzeln in die Tiefe gehen, mächtig wachsen. Denn es ist wichtiger, einen Platz zu haben, um die Größe im Leben nicht nur zu spielen, sondern auch zu bekommen." Justierungen wären es gewesen, die er davor in seinem Leben vorgenommen habe, ja vornehmen habe müssen.

Lange Zeit aber, wie er in der Selbstreflexion erst (zu?) spät erkannte, meist mit demselben Ziel: Der Kampf um Anerkennung, die Befriedigung des eigenen Egos – ausgelöst, wie er heute sagt, durch den Beschluss, das Heim verlassen zu müssen und aufs Internat geschickt zu werden. „Damals war da der Glaube, dass ich nichts wert bin, dass ich mich putzen soll.“ In der Zwischenzeit ist das alles längst geklärt, der Verlust der Liebe durch das Elternhaus war nur ein vermeintlicher, „das hat ja alles nicht gestimmt“. Und doch war es die Wurzel, „es hat mich zu dem Glauben geführt, dass man fehlende Anerkennung durch großartige Leistung kompensieren kann“.

Der Haken an der Sache kam bald zum Vorschein: Denn der Eindruck, „nicht geliebt“ zu werden, blieb, „da kannst du tun, was du willst“. Und der scheinbar aussichtslose Kampf führte zu Krisen, sagt Neuper heute und ergänzt: „Damals wusste ich noch nicht, dass du dir selbst Anerkennung geben musst.“ Eine simple Erkenntnis, scheint es – und doch eine, die einen langen Weg mit vielen „Transformierungen“, wie es Neuper nennt, beinhaltet.

Hubert Neuper als Skispringer
Hubert Neuper als Skispringer © imago sportfotodienst

Da war der Anfang, der Weg vom Malerlehrling zur Nummer eins der Welt im Skispringen, der Weg zum zweifachen Sieger der prestigeträchtigen Vierschanzentournee und der Erkenntnis, „dass alles möglich ist“. Solange man gewinnt, denn die eingetretene Erfolglosigkeit im Spitzensport brachte die erste Krise. „Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass sich alles von mir abwendet. Verständlich, dass ich nicht mehr im Mittelpunkt stand, aus heutiger Sicht. Aber damals verstand ich nicht, warum ich nicht einmal einen Job fand.“ Es kam erstmals der Sprung ins Selbstmitleid, das Übernehmen der Opferrolle.

Der Bad Mitterndorfer erfing sich, schaffte es wieder, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das Element blieb dasselbe, nur flog er nun als Linienpilot in Flugzeugen statt mit Ski über Aufsprunghügel. Und: Neuper schnupperte nebenbei in die Welt der „Events“, erkannte, dass sich auch mit der Kreation von Veranstaltungen, mit der Inszenierung anderer und seiner selbst natürlich, Anerkennung sammeln lässt.  Er inszenierte sich, ob als Geschäftsführer der Österreichischen Sporthilfe, ob als Gründer seiner Agentur, ob als Ideengeber und Entwickler des ersten „World Sports Award“, des ersten weltweiten Sport-Oscars, mit dem er Grenzen verschob, sogar den großen Muhammad Ali in die Wiener Oper lotste.

Hubert Neuper bei der Organisation der "World Sport Awards"
Hubert Neuper bei der Organisation der "World Sport Awards" © GEPA


Glücklich aber wurde er nicht. „Es kam die Erkenntnis, dass dieses Befriedigen des Egoismus keine wirkliche Befriedigung ist, sondern nur in die Opferrolle mündet.“ Und es kam eine Schlagzeile, die den Mann, dem die Sportwelt gerade noch auf die Schulter geklopft hatte, gar ins Burn-out stürzte: „Steuermillionen in die eigene Tasche gesteckt“, stand da. Ein Vorwurf, der Neuper naheging, „auch wenn vor Gericht bewiesen wurde, dass er falsch war“. Plötzlich war er es in der Eigensicht nicht nur nicht wert, geschätzt zu werden, sondern: „Ich war eine unerwünschte Person. Verzweifelt.“ Das Muster, das er als Spitzensportler erlebt hatte, wiederholte sich.

Neuper kämpfte sich zurück, „erfand“ das Skifliegen am Kulm, machte es groß – bis es letztlich mit dem ÖSV zum Zerwürfnis kam, das Ego zu sehr trieb. „Dann war die Berufung nur noch Pragmatismus und Job – ohne Inspiration, ohne Begeisterung.“ Samt der Erkenntnis, sich abermals neu erfinden zu wollen – wirklich neu. Ohne sich über Erfolg und Geld zu definieren. „Materielle Dinge haben Bedeutung, wenn es ums Essen, ums Überleben geht. Darüber hinaus aber nicht“, sagt Neuper, der nun die nächste Stufe angeht: „Ich will Verhaltensmuster ändern. Ich schreibe auf, was ich erlebe – den Weg zu meinem Platz auf der Welt. Ich empfinde und spüre, dass mir ein Weg gezeigt wird, den ich gehen kann. Ich nehme das Ego an die Leine, damit es nicht so viel Leid anrichtet.“