Die Welt des Boxens haben in den letzten Jahren drei simple Zahlenpaare nachhaltig auf den Kopf gestellt: 112 zu 115, 111 zu 116 und 112 zu 115. Mit dieser Wertung durch die Punktrichter entthronte Tyson Fury am 28. November 2015 Langzeit-Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko.
Genau jener Fury, der sowohl in Links- als auch in Rechtsauslage boxt, ist nach Höhen und Tiefen wieder auferstanden und stellt sich mit markigen Sprüchen dem amerikanischen Titelhalter des „World Boxing Council“ (WBC): Deontay Wilder. Wenn die beiden Schwergewichte in der Nacht von 1. auf 2. Dezember im Staples Center in Los Angeles die Fäuste kreuzen, stellt man sich nur eine Frage: Wer von den beiden wird als nächster den Engländer Anthony Joshua boxen, den Schwergewichtsweltmeister der „International Boxing Organisation“ IBO, der „World Boxing Association“ WBA, der „International Boxing Federation“ IBF und der „World Boxing Organisation“ WBO. Joshua, aber auch Wilder und Fury, sind ungeschlagen.
Nicht mehr vergleichbar
Das Schwergewicht ist wieder in Bewegung, aber man erwehrt sich nicht des Eindrucks, dass die großen Boxer dieser Zeit nicht mit den Pugilisten von früher zu vergleichen sind. „Die Ära von Muhammad Ali, Joe Frazier, George Foreman während seiner ersten Zeit, Ken Norton, Jerry Quarry, Ron Lyle, Ernie Shavers und Jimmy Young in den 1970er-Jahren war der beste und nachhaltigste Talente-Pool, den die Heavyweight-Division je gehabt hat“, sagt Joseph Santoliquito, Präsident der „Boxing Writers Association of America“ zur Kleinen Zeitung. Quasi eine "Goldene Ära" des Boxens.
Auch die Ära von Mike Tyson schätzt Santoliquito stärker ein als die heutige: „Als Tyson kämpfte, gab es Lennox Lewis, Evander Holyfield, Riddick Bowe und die zweite Version von George Foreman in den frühen 1990er-Jahren. Es gibt heute niemanden, der in diese Gruppe inkludiert werden könnte.“ Auch wenn Santoliquito zugibt, dass Wilder und Joshua eines Tages vielleicht in diese Gruppe stoßen könnten. Es gebe heute einfach zu wenige hochklassige Schwergewichts-Boxer. Auch wenn Fury für Überraschungen gut sein könnte, glaubt Santoliquito nicht daran: „Fury wird von Wilder ausgeknockt werden. Er war drei Jahre weg.“ Außerdem spreche gegen ihn, dass er nicht mehr von Peter Fury trainiert werde.
Alle warten auf "Wilder gegen Joshua"
Den einzigen Kampf, so Santoliquito, den man im Schwergewicht sehen will, ist der von „Bronze Bomber“ Wilder gegen „AJ“ Joshua, um wieder einen unumstrittenen Weltmeister zu haben: den ersten seit Lennox Lewis im Jahr 2000. Für Amerika waren die Klitschko-Jahre eine Zeit des Darbens. „Wilder ist die Sorte Boxer, die das Boxen in Amerika braucht, aber er braucht auch einen großen Gegner“, sagt Santoliquito. Der wankelmütige Tyson Fury könnte dennoch alle überraschen. Der österreichische Bundestrainer Daniel Nader glaubt, dass jemand, der einen Klitschko schlägt, auch einen Wilder schlagen kann: „Fury rechnet nicht damit, dass er Wilder ausknocken kann, aber ein solider Punktesieg ist möglich.“
Dass Klitschko eine Rückkehr plant, bleibt mehr Wunsch: „Eine Rückkehr in den aktiven Boxsport ist kein Thema“, bestätigt Angela Obermaier von „Klitschko Ventures“. Der Ex-Champ sehe sich heute als Ideengeber, widme sich seiner Firma und seiner Lebensphilosophie „Challenge Management“: „Der Boxring gehört aktuell nicht zu seinen Herausforderungen.“ Im Ring stehen heute andere – man wird in der Nacht auf Samstag sehen, ob Wilder in die Sphären eines Ali oder Foreman wird aufsteigen können. Den eigentlichen Kampf, den Fury & Co austragen, ist jener gegen die Legenden der Vergangenheit. Gegen scheinbar – noch – übermächtige Gegner.