Mit dem Gewinn des Gesamtweltcups im Doppelsitzer ist Rodel-Ass Wolfgang Kindl vergangene Saison mit Thomas Steu der große Coup gelungen – und das in ihrer gemeinsamen Premierensaison. Eine Tatsache zeigt jedoch, wie schnell sich das Blatt wenden kann, wenn die Gesundheit außer Kontrolle gerät. Das Pfeiffersche Drüsenfieber warf das 36-jährige „Kraftpaket“ im September völlig aus der Bahn. Absolutes Sportverbot hieß es von Seiten der Ärzte.
„Es war zermürbend, da es lange nicht diagnostiziert werden konnte. Diese Ungewissheit hat mich verrückt gemacht, weil es nicht besser wurde. Der Körper hat viel ertragen müssen“, präzisiert der Doppel-Weltmeister 2017, der die Befürchtung hatte, dass es noch etwas Schlimmeres sein könnte. „Mein Vater hatte Lymphdrüsenkrebs, alles gut überstanden, doch wenn einem die Lymphknoten so anschwellen, bekommt man es richtig mit der Angst zu tun.“
Die Gedankenwelt des Natterer Naturburschen, der sich als „brutalen Ehrgeizler“ und „kleinen Zornpinkel“ tituliert, wurde überstrapaziert. „Das Lymphsystem spüre ich nach wie vor. Ich bin viel schneller erschöpft und müde, als sonst. Nichts tun zu können war der Horror, ich hatte gefühlt alle Symptome, die man haben kann.“
Er konnte nahezu zusehen, wie sich seine Muskulatur verabschiedete und musste sich sogar zum Essen zwingen. Wenn Kindl ein paar Stufen hinunterging, schnellte sein Puls auf 150. „Mein Ruhepuls war eine Zeit lang über 100. Mir ist es so schlecht gegangen, dass ich am Wochenende ins Krankenhaus gefahren bin.“
„Inzwischen zählen andere Werte“
Eine Problematik sei gewesen, dass sich aufgrund des Virus die Milz und Leber vergrößern und „wenn man beim Sporteln einen Schlag bekommen würde, kann die Milz reißen und das kann lebensgefährlich sein“. Sein größter Rückhalt in dieser Phase war seine Frau Elena. Und auch sein 14 Monate alter Sohn Luis hat seine Sichtweise aufs Leben verändert. „Inzwischen zählen andere Werte und nicht mehr nur der Sport.“ Im Nachhinein gesehen spricht er von einem „Reifeprozess“.
Nichtsdestotrotz ist der Ehrgeiz des zweifachen Olympia-Silbermedaillengewinners von Peking ungebrochen. Ihm gehe es momentan „ganz gut, aber ich bin nicht bei hundert Prozent. Ich musste bei den Basics beginnen, bin aktuell von einem richtigen Krafttraining noch entfernt“, verdeutlicht der Tiroler und verriet, „dass Thomas dafür das Doppelte trainiert hat. Er ist unglaublich fit. Nur am Start fehlt uns ein bisschen, aber mein Gefühl ist schon zurück“, meint Kindl, der sowohl im Doppel- als auch im Einsitzer starten wird.
Auftakt in Norwegen
Wie sich der Trainingsrückstand tatsächlich auswirkt – „ich habe doch an die 60 Fahrten weniger im Eiskanal“ – wird sich beim Weltcupauftakt am Wochenende in Lillehammer zeigen. Eines ist klar, diesem Duo ist trotz Kindls Rückschlag alles zuzutrauen – genauso wie dem gesamten rot-weiß-roten Erfolgsteam.