Schon vor fast sechs Jahren, nach dem ersten Weltcupsieg von Clement Noel im Jänner 2019 in Wengen, war der damals 21-jährige Franzose vom König geadelt worden. „Er hat den schnellsten Schwung“, meinte der zu diesem Zeitpunkt in seinem letzten Weltcupwinter vor der langen Pause gefahrene Marcel Hirscher. In dieser noch jungen Skisaison ist Noel drauf und dran, den Weltklasse-Ruf, der ihm damals vorausgeeilt war, wieder einzuholen. Nach seinem souveränen Sieg zum Auftakt in Levi erwies sich der 1,91-m-Mann aus Lothringen auch in Gurgl als unerreichbar für den Rest der Slalom-Elite. Den ersten, mit höchstem Schwierigkeitsgrad versehenen Durchgang, absolvierte der 27-Jährige mit Startnummer zwei so meisterhaft, dass ihm kein Konkurrent mehr gefährlich werden konnte. Und wieder zeigte sich Hirscher in seiner Rolle als Noel-Fan tief beeindruckt. „Einer hat es gewaltig getroffen, unfassbar.“
Das Skigebiet in der Höhenlage des Ötztals auf fast 2500 m hatte sich wie schon am Vortag beim Damenrennen fein herausgeputzt in froher Erwartung, ein ähnliches Ergebnis wie im vergangenen Jahr mit dem Dreifachsieg durch Manuel Feller, Marco Schwarz und Michael Matt einzufahren. Doch es kam anders. Feller fädelte nach guter erster Zwischenzeit im ersten Durchgang ein und verzeichnete bei seinem dritten Saisonstart den dritten Ausfall. Der in der vergangenen Saison im Slalom nie ausgeschiedene Disziplinen-Weltcup-Titelverteidiger trug´s nach außen hin mit Fassung. „Die Form hätte gepasst. Das ist der Slalomsport. Schlimmer wäre es, wenn ich die Zeit suchen müsste.“
Ein neunter Platz für Fabio Gstrein, ein zwölfter für Dominik Raschner, das ist kein desaströses Ergebnis, aber für den ÖSV nur ein marginal besseres als in Levi und wird den Ansprüchen einer Skination selbstverständlich nicht gerecht. Cheftrainer Marco Pfeifer gerät natürlich noch nicht in Panik, ihn beschäftigen „gemischte Gefühle“. Es gab gute Teilabschnitte und Gstrein lag nach dem ersten Durchgang noch auf Rang vier. Ausgeschieden sind auch Johannes Strolz und Christian Hirschbühl. Es könne sich ja schnell ändern. „Im Slalom herrscht eine enorme Dichte, das sieht man daran, dass ein Linus Straßer gar nicht für den zweiten Lauf qualifiziert war“, erklärte Pfeifer und blickt mit Zweckoptimismus in die nahe Zukunft. „Man sieht, dass sie schnell Skifahren können.“
Schnell waren aber neuerlich die anderen wie der zweitplatzierte Schwede Kristoffer Jakobsen und der an dritter Stelle gelandete Atle Lie McGrath, diesmal Bester des in dieser Saison bisher mit enormer Breite in der Spitze auftretenden norwegischen Herren-Teams. Und Marcel Hirscher selbst? Dem Rückkehrer bereitet der Slalom sehr viel Kopfzerbrechen. Der 35-Jährige kam von Beginn an nicht auf Touren und schied aus, sein Frust ist verständlich. „So bin ich ein bisschen fehl am Platz. Es macht nicht wirklich Spaß“, erklärte der für die Niederlande antretende Salzburger nach seinem dritten Comeback-Versuch. Der für Brasilien an den Start gehende Lucas Braathen Pinheiro erlitt nach zwei vierten Plätzen den ersten Rückschlag.
Noel hingegen ist bester Dinge. „Es war ein tolles Rennen und ein cooler Kampf“, erklärte der Franzose, dessen Selbstvertrauen mit dem zwölften Weltcupsieg starken Rückhalt erhielt. Vor drei Jahren schien Noel zu einer Serie anzusetzen, fiel jedoch nach Platz eins in Val dÌsere in Madonna unmittelbar vor dem Ziel auf dem Weg zum überlegenen Sieg aus. Seither gab es vor der nun angelaufenen Saison nur mehr einen Erfolg 2023 in Schladming.