Das Warten hat sich gelohnt, könnte man sagen. Am Freitag kurz nach 16 Uhr tauchte das Video auf der Instagram-Seite von „Vandeer Red Bull Sports“ auf, in dem Marcel Hirscher den Satz sagt, auf den alle gewartet hatten: „Back to the game we love“, sagte er. Marcel Hirscher ist also zurück im Spiel, zurück im Weltcup wird am Sonntag auf dem Rettenbachferner am Start stehen. Mit einer Nummer knapp über 30, dank einer Wildcard des Veranstalters. Aber selbst so hat er es geschafft, wieder den Fokus auf sich zu richten. Seine Rückkehr, sie wird das beherrschende Thema des Wochenendes bleiben.
Und ging der 35-Jährige vor fünf Jahren nach dem achten Weltcup-Gesamtsieg für Österreich als Dominator, so kehrt er nun als Niederländer mit ganz anderen Zielen zurück: Hirscher will den Weltcup genießen, ihn nicht mehr dominieren. Oder, wie er es ausdrückte: „Ich habe keine Ziele. Und es würde mich nicht weit bringen, zu spekulieren. Sölden wird mir zeigen, wo ich stehe. Und ich erwarte mir an sich alles: Von ganz gut bis zu unendlich weit weg.“ Diese (Nicht-)Erwartung gestatte er sich, denn: „Ich will einfach mehr wie Marcel und weniger wie Hirscher sein – das Rennpferd, das ich einst war. Marcel ist jetzt 35 Jahre alt, ist begeistert, eine Chance im Weltcup zu haben. Und ziemlich aufgeregt.“
Ganz leicht fiel ihm das nicht, wie er zugab. Da war das Herz, zweigeteilt zwischen dem Wettkämpfer, der natürlich vorne mitfahren will und dem Projekt, das er „Herzensprojekt“ nennt. Diese Seite half ihm, über die 2051 Tage hinwegzusehen, die er als Rennläufer „pausierte“. Darüber, dass in fünf Jahren viel passiert, viel geändert wurde, dass er nicht mehr so viel Zeit hatte, sich vorzubereiten, wie er es einst gewöhnt war. Selbst darüber, dass dieser eine Punkt, den er sonst immer kurz vor Sölden fühlte – „Ja, ich bin bereit“ – diesmal nicht kam. Aber: „Ich bin zufrieden mit meiner körperlichen Fitness, ich fühle mich jünger als zu dem Zeitpunkt, als ich meine Karriere beendet habe. Und dass ich nicht mehr so viele Schneetage habe (17 Tage sollen es gewesen sein), liegt daran, dass ich ein anderes Leben habe, andere Verantwortung trage.“
So oder so: In Sölden haben sich mehr niederländische Journalisten eingefunden als je zuvor. Auch sie waren am Freitag aufgeregt, wollten wissen, ob Hirscher wirklich startet. Der machte es spannend, passend zum Projekt und passend zu seinem Sponsor Red Bull. Auch, wenn er die Entscheidung nicht erst am Freitag getroffen hat, Hirscher ließ sich Zeit und horchte in sich hinein, ehe er dem Herz folgte. „Manche Experten haben mir ja geraten, Sölden auszulassen, mich auf Val d‘Isère zu konzentrieren. Ich habe mich anders entschieden, ich will diese Erfahrung mitnehmen.“ Es ist nicht davon auszugehen, dass Hirscher tatsächlich vorne dabei ist am Sonntag. Das weiß er selbst. Vielleicht kann es Marcel dafür tatsächlich genießen. „Allein im Starthaus zu stehen, ist unglaublich.“ So wie sein Comeback an sich.
Wo er im Ziel stehen wird? „Es ist schon so viel gesagt, geschrieben und berechnet worden: Ich werde jetzt einfach dort runterfahren, dann wissen wir alle mehr.“
„Es ist eine Situation mit gemischten, gar nicht einmal Gefühlen, sondern Herzen: Es gibt den Marcel, den Rennfahrer, der wirklich kompetitiv ist und, logisch, so schnell Skifahren wie geht. Und dann ist da dieses große Herzensprojekt, allein am Start zu stehen und hinauszuschauen und zu sagen: Es ist unglaublich, da zu stehen. Von dem her habe ich mich entschieden: Ich mach‘s“, sagte er in dem Video mit Szenen aus dem Training der letzten Tage.