Wie zu erwarten, musste sich Österreichs Zukunftshoffnung Joel Schwärzler zum Auftakt der Wiener Erste Bank Open dem topgesetzten Deutschen Alex Zverev in 68 Minuten mit 2:6, 2:6 geschlagen geben. Heute (nicht vor 18 Uhr, ORF 1 & ServusTV live) ist Dominic Thiem gegen den Italiener Luciano Darderi an der Reihe – und es ist davon auszugehen, dass es der letzte Auftritt des 17-fachen Turniersiegers auf der ATP-Tour sein wird.

Schwärzler und Thiem waren beim stark besetzten Stadthallen-Spektakel nur dank einer Wildcard mit von der Partie, Jurij Rodionov musste bereits in der ersten Qualifikationsrunde die Segel streichen. Keine guten Nachrichten, die allerdings die aktuell ernüchternde Situation im heimischen Herren-Tennis widerspiegelt. So befindet sich mit Sebastian Ofner nur noch ein Österreicher in den Top 200 (ATP-Nr. 79) – doch fällt der Steirer nach zwei Fersenoperationen noch zumindest bis März 2025 aus und in absehbarer Zeit auch aus den Top 200 raus.

Außer Schwärzler alle im Retourgang

Rodionov (ATP-Nr. 203/25 Jahre), Lukas Neumayer (255/22), Filip Misolic (260/23), Sandro Kopp (338/24) und Schwärzler (347/18) sind jene Kandidaten, auf denen derzeit die rot-weiß-roten Tennis-Hoffnungen ruhen. Allerdings legten zuletzt bis auf Schwärzler in der Weltrangliste alle genannten Spieler den Retourgang ein.

Die Gründe für die kollektive Talfahrt sind vielfältig und wurden in Wien auch von den heimischen Tennis-Experten beleuchtet. „Es scheitert an den Trainern, die nicht wissen, was international gefragt ist. Und die Besten, die wir haben, sind bei den Alten und im Spitzensport engagiert und fehlen damit im Unterbau“, sagte Günter Bresnik, der bei der Jugend auch den Mangel an Disziplin und Konsequenz ortet, gegenüber dem ORF.

Bis vor kurzem wurde Schwärzler noch von ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer betreut
Bis vor kurzem wurde Schwärzler noch von ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer betreut © APA

Thomas Muster wies auf die „Wohlstandsverwahrlosung“ in Österreich hin: „Die Schmerzgrenze bei den Kindern ist heutzutage gering – doch du brauchst eine gewisse Schmerzgrenze, wenn du erfolgreich sein willst.“ Und ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer betonte: „Wir haben mit allen Landesverbänden ein Player-Development-Programm installiert, in dem von der Spitze bis zum Klubtrainer jetzt alle an einem Strang ziehen.“ Allerdings seien die budgetierten Mittel begrenzt: „Unsere Aufgabe ist es, immer wieder neue Schwärzlers zu finden und ihnen die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Aber wir können nicht 25 Kids in der Südstadt aufnehmen, sondern müssen uns auf einige Wenige konzentrieren.“

Nachgefragt bei Melzers Chef, ÖTV-Präsident Martin Ohneberg, argumentiert der Vorarlberger, „dass wir mit dem verletzten Ofner und der zuletzt lange verletzten Julia Grabher auch Pech hatten. Ein Misolic oder Rodionov hatten nicht ihre besten Saisonen, doch kann sich das Blatt schnell wieder wenden.“ Die Hoffnungen würden vor allem auf Schwärzler ruhen, „doch ist da noch ein weiter Weg zu gehen. Aber wir haben noch andere sehr gute Jugendliche, die sich jetzt beweisen müssen.“

ÖTV-Präsident Martin Ohneberg beim Farewell von Dominic Thiem in der Stadthalle
ÖTV-Präsident Martin Ohneberg beim Farewell von Dominic Thiem in der Stadthalle © GEPA pictures

Die Weichen für eine wieder rosigere Tennis-Zukunft seien im ÖTV auf alle Fälle gestellt. „Mit zwei ATP- und einem WTA-Turnier sowie vier Challengern haben wir so viele Turniere wie noch nie. Ich denke, das ist für die Größe unseres Landes ausreichend, auch wenn es noch ein paar Future-Turniere mehr geben könnte“, sagt Ohneberg, der aber auch die Politik in die Verantwortung nimmt: „Der Sport ist in Österreich nur ein politisches Anhängsel. Man muss nur schauen, welche Rolle der Sport in den Wahlprogrammen gespielt hat. Dabei ist Sport ein gesellschaftliches Thema. Wir wollen ein Sportland sein, sind aber keines.“

Neben der fehlenden Indexierung der Förderung und dem immer schwieriger werdenden Sponsoring sei in Österreich vor allem die sportliche Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß. „Wir verfügen nicht einmal über eine fixe Halle, in der wir Davis Cups oder Billie Jean King Cups für 2500 Fans austragen können. Ideal wäre, wenn man diese in ein ordentliches Leistungszentrum einbetten könnte“, sinniert der Präsident, der seinen Tennissport dennoch auf dem richtigen Weg sieht: „Hoffentlich kann ich in ein paar Jahren sagen, dass wir die richtigen Hebel bewegt haben.“