Es war ein wunderschönes Tennis-Märchen, das Emma Raducanu 2021 in New York geschrieben hat. Als Nummer 150 der WTA-Weltrangliste holte sich die damals 18-Jährige als erste Qualifikantin der Geschichte bei den US Open einen Grand-Slam-Titel – und das ohne Satzverlust! Es sollte bis heute jedoch die einzige Trophäe der Britin bleiben, die sich mit ihrem Können, ihrer Art und ihrem Aussehen in die Herzen der Fans gespielt hat. Schnell schoss die Zahl ihrer Follower auf den sozialen Plattformen in die Höhe, alleine auf Instagram sind es aktuell 2,6 Millionen. Zum Vergleich: Dominic Thiem folgen 1,3 Millionen Fans.
Erfolg und Beliebtheit – eine Mischung, die freilich auch Sponsoren hellhörig werden lässt. Und so schmückten sich innerhalb kürzester Zeit Weltkonzerne wie British Airways, Vodafone, Tiffany, Dior, Evian, Wilson, Nike oder auch HSBC mit der vielversprechenden Sport-Aktie Raducanu. Ebenfalls seit März 2022 mit an Bord: Porsche. Und kann man den Worten der gebürtigen Kanadierin, die im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern nach London emigrierte, glauben, erfüllte sich für Raducanu damit ein Traum. Immerhin bekam sie als Markenbotschafterin einen feschen Porsche 911 Carrera GTS Cabrio kostenlos zur Verfügung gestellt und erklärte: „Mein Lieblingsauto ist ganz klar der 911. Über alle Generationen hinweg ist er in jeder Hinsicht einzigartig und wunderschön. Ich finde, er ist eines der legendärsten Autos überhaupt.“
Das Problem: Der schmucke Bolide ist laut englischen Medien jetzt wieder futsch. Nein, nicht von einem Londoner Langfinger gestohlen, sondern vom Konzern wieder eingezogen. Der Grund: Raducanus chronische Erfolglosigkeit, die so gar nicht in die Außendarstellung des Automobilherstellers passen will. Die Zahlen unterstützen den Schritt des Sponsors: Das einstige „Wunderkind“, das seit seinem Meisterstück in Flushing Meadows seine Trainer wie andere ihre Tennissocken gewechselt hat und durch Verletzungen (inklusive zwei Handgelenkoperationen) immer wieder aus der Bahn geworfen wurde, schaffte es bis dato nicht, den so hoch gesteckten Erwartungen gerecht zu werden.
Derzeit liegt Raducanu im Ranking auf Position 57, beim aktuellen „Asia Swing“ bleibt ihr das Pech an den Fersen kleben. Bei den Korea Open verstauchte sie sich laut Instagram-Post ein paar Bänder im Fuß und musste sowohl in Peking als auch in Wuhan ihr Antreten absagen. Weitere Tiefschläge, welche die Sponsoren Raducanus nicht unbedingt entzücken werden und ihre Geldgeber in absehbarer Zukunft dazu zwingen könnten, ihr Geld in andere Sterne am Sportler-Himmel zu investieren. Eine Tatsache, die die Britin zusätzlich unter Druck setzt. Denn: Dank der satten Sponsorenverträge verbuchte Raducanu 2023 zwar einen Gewinn von rund 13,7 Millionen Euro, was sie zur bestverdienenden Sportlerin der Welt machte. Doch wanderten davon nur 238.000 Euro an verdientem Preisgeld auf ihr Konto.
Doch das Tennis-Ass gibt sich kämpferisch: „Ich werde einfach noch einmal ganz von vorne anfangen, trainieren, analysieren, was ich falsch gemacht habe, und versuchen, mich weiter zu verbessern“, erklärte Raducanu nach ihrem enttäuschenden Erstrunden-Aus bei den heurigen US Open. Eine Einstellung, für die sie ihre Fans lieben und weshalb ihr die meisten Sponsoren noch die Treue halten. Dabei hat der Geldfluss auch seine Schattenseite, führt die Tochter eines Rumänen und einer Chinesin doch ein Leben in einem goldenen Käfig. Dessen ist sich Raducanu, die bereits einmal von einem Stalker verfolgt wurde, auch bewusst: „Ich habe erkannt, dass mich viele nur als Geldanlage sehen, weil ich so jung bin“, sagt die Britin, die vergangenes Jahr gegenüber der Times gestand: „Manchmal wünschte ich, ich hätte die US Open nie gewonnen.“