Einer wird niemals mehr übertroffen werden. Nachdem Zeljko Vukovic am 27. Oktober 2001 zum ersten Mal ins Dress der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft geschlüpft war, musste klar sein, dass er die Rolle des ältesten ÖFB-Team-Debütanten für immer bekleiden würde. Der ehemalige GAK- und FC-Kärnten-Verteidiger war zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre, acht Monate und 18 Tage alt, also fast schon ein Vierziger.
An dieses Alter kommt Kevin Stöger zwar noch lange nicht heran, aber wenn der Neo-Mönchengladbach-Legionär am Freitag in Laibach gegen Slowenien eingesetzt wird, zieht er ein in den Kreis der betagtesten Team-Neulinge. Am 26. August, einen Tag vor seinem 31. Geburtstag, erhielt Stöger das Startsignal, als sein Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Teamchef Ralf Rangnick. „Die Nummer war neu für mich, aber ich habe die Stimme sofort erkannt“, erzählt der Spätberufene von diesem Glücksmoment.
Kurze Gastspiele
Viele kommen nicht in den Genuss, als über 30-Jährige noch zu Länderspiel-Ehren zu gelangen. Im 21. Jahrhundert war dies neben Vukovic nur Tomislav Kocijan (2000, 32, 4 Spiele) sowie den drei Torhütern Roland Goriupp (2002, 31, 1), Heinz Arzberger (2004, 31, 1) und Pavao Pervan (2019, 32, 7) vergönnt. Ihnen bei deren weiterer Teamkarriere nachzueifern, wird jedoch nicht im Sinne von Stöger sein, denn sie verweilten nur kurz. Für Vukovic war die Nationalmannschaft nach drei Spielen und gescheiterter WM-Qualifikation Geschichte.
Warum Stöger, der schon 2019 einmal im Kader stand, aber nicht spielen durfte, so lange übersehen wurde, ist nicht exakt zu entschlüsseln. Naheliegend wäre die Vermutung, dass er schon als Junior in die Ferne schweifte, aber bis zur U21 durchlief der hochtalentierte Kicker praktisch sämtliche ÖFB-Nachwuchs-Auswahlen. Mit knapp 16 Jahren verschlug es den feinen Techniker zur U16 des VfB Stuttgart und er hält Deutschland bis heute die Treue.
Der Glaube an das Gute
Stöger zeigt gewisses Verständnis für die Wartezeit. „Der Trainer kennt einige Spieler schon sehr lange und hat daher ihnen das Vertrauen gegeben“, ortet er eine Ursache. Aber er sei „überhaupt nicht nachtragend“, sondern genießt den Augenblick. „Ich freue mich, jetzt da zu sein“, meint der Offensivspieler, der sein Können bei zahlreichen Klubs unter Beweis stellte. Mit Bochum, wo er zeitweise auch als Kapitän auftrat, schaffte er in der vergangenen Saison gerade noch den Klassenerhalt in der deutschen Bundesliga. Im Relegations-Rückspiel gegen Fortuna Düsseldorf erzielte er ein Strafstoß-Tor und war dann auch im Elferschießen erfolgreich.
Der Optimismus war neben seinen fußballerischen Fähigkeiten ein treuer Begleiter der Karriere des Kevin Stöger. „Ich glaube einfach an das Gute und fühle mich jetzt, mit 31, im besten Alter, ich habe die Reife und bin ein gestandener Spieler, einer, der vorneweg geht“, sieht sich der gebürtige Oberösterreicher als Verantwortungs-Träger. Jedenfalls würde er keinen Abschnitt seiner Laufbahn entfernen, sondern „alles wieder so machen“. Warum auch nicht? Am Wochenende bestritt Stöger beim 2:0-Erfolg von Mönchengladbach gegen seinen Ex-Klub Bochum das 150. Match in der deutschen Bundesliga.
Ein Freigeist
Stöger ist neben seinen grundsätzlichen spielerischen Fertigkeiten Spezialist für entscheidende Pässe und für Standardsituationen. Nationalteamkollege Max Wöber sieht den Neo-Partner als „Freigeist“ und damit auch ein bisschen als Gegengewicht zu den zahlreichen Vertretern der „geradlinigen“ Red-Bull-Schule. In Stögers Selbstverständnis ist die Abwechslung Programm. Länger als zwei Jahre hielt es ihn bei keinem Klub. „Ich bin ein Mensch, der immer etwas Neues erleben will und sich nicht schreckt, wenn etwas Neues aufgeht. Bisher habe ich immer den richtigen Schritt gemacht, vor allem jetzt zu Gladbach.“ Die Reise ist noch nicht zu Ende.
Welches Alter ist aber nun ideal für einen Fußballprofi? Absolute Zahlen können hier nicht angegeben werden, denn es hängt vom individuellen Fitnesszustand ab. Stöger sieht sich aktuell auf seinem Toplevel, und der 26-jährige Wöber, der mit 19 im Nationalteam debütierte, sieht alles relativ. „Manche erleben nach 30 ihre Blütezeit, andere sind bis 28 Weltklasse, dann macht der Körper nicht mehr mit.“