Es war ein merkwürdiges Bild: Im zweiten Halbfinallauf der Damen über 100 Meter blieb die Bahn fünf, jene im Zentrum, leer. Dort sollte Shelly-Ann Fraser-Pryce laufen, die „Grande Dame“ des Sprints. Doch rund um die 37-Jährige, die seit 2008 bei allen Spielen über die 100 Meter aufs Podest gelaufen war, entspann sich ein wahrlich olympischer Skandal. Eine blieb davon aber unberührt: Julien Alfred aus dem Karibikstaat Saint Lucia, der bis dato bei Olympischen Spielen noch ohne Medaille war, holte sich sensationell die Goldmedaille im Sprint. In 10,71 Sekunden verwies sie die US-Amerikanerinnen Sha‘Carri Richardson (10,87), die ebenso Teil des Skandals um Fraser-Pryce war, und Melissa Jefferson (10,92 Sekunden) auf die Plätze.
Regeländerung wird zum Verhängnis
Doch Gesprächsthema in und ums Stadion war und blieb das Fehlen von Fraser-Pryce. Zunächst hörte man von einer Muskelverletzung, dann aber wendete sich die Gemengelage und das Gerücht wurde laut, dass man der Doppel-Olympiasiegerin, wie auch Richardson, vor dem Halbfinale den Zutritt zum Warm-up-Gelände verweigert hatte. Demnach habe es eine Regeländerung gegeben, die besagt, dass nur jene Athletinnen und Athleten ins Aufwärmstadion dürfen, die mit dem Teambus kommen und im Dorf wohnen. Das scheinen Fraser-Pryce und Richardson nicht getan zu haben. Während die US-Amerikanerin aber zum Halbfinale antrat, fehlte die „Grande Dame“; offiziell hatte man zunächst eine „Verletzung“ als Grund angegeben.
Julien Alfred, die bisher einzig bei den Youth Olympic Games 2018 in Buenos Aires mit Silber in Erscheinung getreten war, wird‘s egal sein. Sie lief unbeeindruckt zu Gold. „Ich danke Gott, dass er mich soweit gebracht hat. Ich wusste, dass es möglich ist“, meinte sie.
Ryan Crouser wieder zu stark
Was es sonst noch gab? Der US-Amerikaner Ryan Crouser holte sich zum dritten Mal in Serie Olympia-Gold im Kugelstoßen, zum dritten Mal vor seinem Landsmann Joe Kovacs. Und im Zehnkampf gab es überhaupt eine Sensation: Der Kanadier Damian Warner schied mit einem „Salto Nullo“ im Stabhochsprung aus, da schien der Deutsche Leo Neugebauer auf einen Erfolg hinzusteuern. Doch den schnappte ihm der erst 22-jährige Norweger Markus Rooth, der bisher einen achten WM-Platz zu Buche stehen hat, weg. Mit 8796 Punkten machte er sich zum neuen „König der Leichtathleten“.