„Ich mache es ihm im Training oft nicht leicht“, gesteht Joel Schwärzler. Gemeint ist sein Coach und ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer, der seinen Schützling ansatzweise mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde vergleicht. „Jürgen ist streng, wenn er‘s sein muss. Ja, er muss es öfters sein“, verriet er. Dabei strotzt der Vorarlberger trotz seines jungen Alters vor Detailversessenheit. „Wenn etwas nicht funktioniert, werde ich unrund. Ich mache mir enorm viel Druck und spüre auch den von Außen. Ist doch cool, wenn andere überzeugt sind, dass ich was schaffen kann.“
Diese Tatsache schließt darauf, alles mit höchster Präzision ausführen zu wollen. Der 18-Jährige brilliert mit einer schnellen Hand, Spielverständnis sowie einem aggressiven Spiel mit Zug zum Netz. Noch dazu beherrscht er so gut wie jeden Schlag. Nicht umsonst titulieren ihn Experten als heißeste rot-weiß-rote Zukunftsaktie.
„Völlig zufrieden bin ich mit der Saison nicht“
Erfolgsverwöhnt, das ist der U16-Europameister. Er war die Nummer eins der Jugend-Weltrangliste, gewann mehrere ITF-Turniere, lediglich der Junioren-Grand-Slam-Titel blieb ihm verwehrt – da schrammte er in Paris knapp dran vorbei. „Völlig zufrieden bin ich mit der Saison nicht, vor allem zu Beginn lief es nicht nach Wunsch“, erklärt Schwärzler, der sich mit seinem Debüt-Sieg auf der Challenger-Tour in Skopje in der Weltrangliste unter die Top 400 katapultiert hat. „Das Ranking ist so, wie ich es mir erhofft habe, aber ich bin anders dazu gekommen, als ich mir gedacht habe.“
Der „Keypoint“, wie er es formuliert, sei die Konstanz. „Auch wenn sie noch nicht da ist, wo sie sein sollte. Ich muss weniger nachdenken, sondern tun“, verdeutlicht Schwärzler, der in Südafrika geboren und aufgewachsen ist. Mit sieben hat die Familie ihre Zelte in Österreich aufgeschlagen. Der „Sunnyboy“ ist ein passionierter Golf- und Padeltennisspieler, versagt am Formel-1-Simulator, shoppt zu viel und schaut selten auf seine WhatsApp-Nachrichten.
Zuletzt hatte der Linkshänder bei den Staatsmeisterschaften mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. „Ich war ziemlich angeschlagen, hatte alles außer Fieber.“ Die Nachwehen bekam er beim Salzburg-Challenger noch zu spüren. Nun feiert der Red-Bull-Athlet in der Gamsstadt dank einer Wildcard seine ATP-Premiere. Im Vorfeld durften diverse Trainingseinheiten mit Dominic Thiem nicht fehlen.
Die Fußstapfen sind dementsprechend groß. Wozu er tatsächlich imstande ist, kann er heute gegen den Brasilianer Thiago Seyboth Wild demonstrieren. Heiß ist der ÖTV-Youngster allemal und er hat freilich nichts zu verlieren. „So schlecht schätze ich meine Chancen nicht ein. Wir werden ein paar Videos studieren und schauen, wie man ihn biegen kann.“ Sein Idol ist übrigens Nick Kyrgios – also aufgepasst, mit welchem Entertainmentfaktor er die Fans in seinen Bann zieht. Gestern kürte er sich zum Sieger des One-Shot-Cups und kassierte 15.000 Euro.