Seine Dominanz und die Souveränität dieses Sieges sind in ihrer Ausprägung beeindruckend und beängstigend zugleich. Tadej Pogačar wurde nach der vierten Etappe der Tour de France das Gelbe Trikot des Gesamtführenden übergestreift und er zog es bis zum letzten Meter in Nizza nicht mehr aus. Niemand konnte ihn ernstlich herausfordern. Er fuhr aktiv, attackierte statt zu reagieren und zeigte nie Schwäche. „Ich bin superhappy, ich kann es nicht beschreiben, wie glücklich ich nun nach zwei harten Jahren in der Tour mit Fehlern bin. Dieses Mal war es perfekt“, sagte der Slowene. Dass parallel zum Erfolg die Rufe nach unerlaubten Mitteln in Form von Kohlenmonoxid-Dopings laut wurden, ist ob der Leistungen und unrühmlichen Historie des Radsports nicht ungewöhnlich.

Angefeuert wird es von der Tatsache, dass der Slowene Auffahrtszeiten aus der Hochblüte des Unerlaubten klar unterbot. Wissentlich, dass diese Marken etliche Jahre alt sind und der Sport sich in sämtlichen Bereichen optimiert hat. Mit dem Sieg im Zeitfahren von Monaco nach Nizza, das als Ersatz für die Massenankunft auf der Champs-Élysées gefahren wurde, beendete der Slowene seinen spielerisch leicht anmutenden Triumphzug. Doch fuhr er auch das letzte Teilstück mit der Brechstange, riskierte in jeder Kurve, deklassierte den Rest. Zum dritten Mal siegte er beim größten Radrennen der Welt; vor Titelverteidiger Jonas Vingegaard (DEN) und Remco Evenepoel (BEL). So lautete auch das Ergebnis des Zeitfahrens. Mit einem Vorsprung von 1:02:26 Minuten auf den Dänen fuhr er ins Ziel ein.

Das Double ist perfekt

Mehr noch. Nach 1998 gewann mit „Pogi“ wieder ein Berufsradfahrer die zwei bedeutendsten Rundfahrten in einem Aufwischen. Damals war es der „Pirat“, Marco Pantani, der beim Giro d‘Italia und darauf bei der Tour de France triumphierte. „Das war die erste Tour, bei der ich jeden Tag vollkommen zufrieden war. Sogar im Giro hatte ich einen schlechten Tag, ich sage aber nicht, welcher es war. Diese Tour war unglaublich, ich habe es vom ersten bis zum letzten Tag genossen.“ Der Erste, dem das Meisterstück des Doubles gelang, war Fausto Coppi. Der Italiener schaffte es zweimal (1949 und 52), ebenso Bernard Hinault (1982 und 85) und Miguel Indurain (1992, 93). Jacques Anquetil (1964) und Stephen Roche (1987) vollbrachten es ebenfalls, doch der Kannibale bleibt unerreicht: Eddy Merckx schlug dreimal doppelt zu (1970, 72, 74). Mit Ausnahme Coppis und Roches halten die Herren mit je fünf Siegen den Rekord. Angesichts Pogačars Alter von 25 Jahren könnte dieser in wenigen Jahren entrissen sein.

Weniger erquicklich endete diese große Schleife für einen lange aufopferungsvoll kämpfenden Felix Gall, der nun als AG2R-Kapitän Platz acht und den Etappensieg aus dem Vorjahr nicht wiederholen konnte. Beim Zeitfahren wechselte er nach der Bergwertung das Rad, es war dennoch zum Vergessen. Mit siebeneinhalb Minuten Rückstand auf Pogačar beendete der Osttiroler das Zeitfahren (103.) und die Tour auf Rang 14. „Auch wenn wir unsere Ziele nicht erreicht haben, hat das Team gekämpft, war engagiert, hat sich unterstützt und auch die Stimmung war gut“, sagte Team-Manager Vincent Lavenu, „wir befinden uns in einem Jahr des Aufbaus und der Arbeit für die Zukunft.“