Acht Jahre war er alt, als er sich zum ersten Mal an den Kanusport herangetastet hat. „Es hat mir aber überhaupt keinen Spaß gemacht. Ich hatte echt totale Angst. Wir waren ein, zwei Jahre immer auf der Soča und ich dachte mir immer, okay, dann machen wir es halt wieder“, schwelgt Felix Oschmautz in Erinnerungen seiner Kindheit. Also von wegen Liebe auf den ersten Blick. Erst nach einem Kinderkurs fand er nach und nach mehr Gefallen daran. „Wobei ich gleich mal die Spritzdecke nicht aufbekam. Dann hat mich jemand aufgedreht, aber hatte das Gefühl, dass ich ewig unter Wasser gewesen bin. Man ist quasi kurz vorm Sterben und denkt, man ertrinkt. Nie wieder, habe ich damals gesagt.“

Doch schließlich veränderte eine Frage alles. „Helmar Steindl hat mich gefragt, ob ich Weltmeister werden will. Als Zehnjähriger machst du dir nicht so viel Gedanken und denkst einfach, cool, klar.“ Und so war es ab diesem Moment um ihn geschehen. „Dabei ist es mir gar nicht so aufgefallen, dass es so richtig losging. Anfangs war ich bei Bewerben noch nicht so berauschend, doch das hat mich gereizt, zu sehen, dass es eben wo hingehen kann.“

Neugier ist seit eh und je präsent. Als kleiner Bua konnte er zu Hause von gewissen Gegenständen die Finger nicht lassen, sodass er in einem ganz bestimmten Uhrengestell (siehe Hauptfoto im Hintergrund) mit dem Kopf zwischen vier kleinen Säulen stecken geblieben ist. „Das sah sicher ganz amüsant aus. Meine Eltern mussten mir da raushelfen. Ich kam unbeschadet irgendwie wieder da raus, und die Uhr blieb dabei auch heil. Inzwischen steht sie im Wohnzimmerregal und ich kann es mir noch immer bildlich vorstellen.“

Der Informatikstudent ist ein Familienmensch durch und durch. Seine beiden jüngeren Schwestern Antonia und Emma wollten ihm in früheren Jahren aber um nichts nachstehen. Action war demnach vorprogrammiert. „Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass, wenn wir spielen waren, uns öfters nachgerufen wurde, dass wir besser nicht zurückkommen sollen, da eine heult. Man realisiert erst später, wie anstrengend das tatsächlich für Eltern sein muss, denn sie waren ja ständig mit uns unterwegs.“

„Manchmal übertreibe ich angeblich mit der Detailversessenheit“

Während er sich privat als Ordnungsfanatiker einen Namen gemacht hat und gelegentlich seine emotionale Seite durchsickert, kommen sportlich sein Perfektionismus und Ehrgeiz zum Vorschein. „Da bin ich extrem rational, weil ich gewisse Dinge optimieren will. Manchmal übertreibe ich angeblich mit der Detailversessenheit, auf der anderen Seite, zeichnet mich das aus“, verdeutlicht der Maria Saaler, der seit 2019 während der intensiven Trainingsperioden in Wien lebt. „Da wird einem bewusst, wie wichtig ein enger Freundeskreis ist“, versichert der zweifache EM-Bronzemedaillengewinner 2022, der gern in Büchern schmökert oder seinem Hobby, dem Tennisspielen nachgeht. Das ist auch das Stichwort. Denn wenn sich Oschmautz, kein typischer Social-Media-Nutzer, auf eine Persönlichkeit festlegen soll, der er gern begegnen würde, „dann Roger Federer!“

Der bitterste Moment in seiner bisherigen Erfolgskarriere sei jener vor den Olympischen Spielen in Rio 2016 gewesen, als er damals erst 15 war. „Ich war von der Zeit her voll auf Finalkurs, doch kurz nach der letzten Zwischenzeit habe ich die Balance verloren und das war es dann leider. Das war einerseits eine herbe Enttäuschung, andererseits konnte ich im selben Jahr Silber bei der Junioren-EM- und WM holen.“ Der Spruch, die eine Tür geht zu und eine andere auf, trifft es diesbezüglich wohl.

Bei den letzten Spielen in Tokio schrammte Oschmautz als Vierter nur haarscharf an den Medaillen vorbei. Ein folgenschwerer Fehler zu Beginn hatte ihn vermutlich Silber gekostet, auch wenn er von solchen Theorien wenig hält. „Hätte, wäre, wenn gibt’s im Sport nicht. Und dieser vierte Platz hat mir trotzdem einen ganz anderen Zugang gegeben. Als Sportler bin ich in dieser Phase angekommen und habe gemerkt, dass es oft reicht, etwas Normales zu leisten. Man muss nicht immer das Besondere im Hinterkopf haben.“

„Es ist oft sehr unruhig und verwirbelt“

Die Boote sind längst in Paris, der Junioren-Weltmeister von 2017 reiste am Donnerstag in die Stadt der Liebe. Die Strecke in Frankreich hat der diesjährige Fahnenträger in den letzten drei Jahren mehrfach inspiziert. Auf einem dynamischen Element Prognosen zu wagen, ist im Kanusport so eine Sache. „Bei uns spielen so viele Faktoren eine Rolle. Es ist nicht ableitbar, nur wer am besten oder am meisten trainiert hat oder viel Routine hat, dass er auch ins Finale fährt.“

Bei den Pre-Olympics klassierte sich Oschmautz auf den Rängen zwei und fünf. Dementsprechend hoch darf seine Erwartungshaltung sein. „Die Strecke hat nicht so viel Gefälle und viel Wucht, aber die Strömungen sind nicht so klar. Es ist oft sehr unruhig und verwirbelt. Solche Kombinationen machen es schwierig, da es viel Energie kostet.“ Da die Kajaks auf die Körpergröße angepasst werden, mache es keinen Unterschied, ob jemand 65 oder 90 Kilogramm wiegt. „Aber die Techniken sind halt unterschiedliche.“ Aufgrund seines jahrelangen Erfahrungsschatzes agiert der Cross-EM-Vize von 2023 „inzwischen mutiger und gelöster.

Sein Herzblatt hat er mit Parallelboarderin Daniela Ulbing vor drei Jahren gefunden. „Das Verständnis unter Leistungssportlern ist ein ganz ein anderes und man muss sich nie erklären.“ Moralische Unterstützung bekommt der „Glückliche“ in Paris von seiner Liebsten, seiner Familie sowie einigen Freunden. „Vor ihnen auf so einer Bühne performen zu dürfen, freut mich am meisten“, so der leidenschaftliche Golfspieler, der im September mit Kumpels eine 180 Kilometer lange Seenlandschaft, ein Naturschutzgebiet in Schweden, erkunden wird, ehe der Flieger mit seiner Freundin nach Mauritius abhebt. „Zuerst Wildnis, dann Strand.“

Angesprochen auf seinen Schnauzer, meint das Geburtstagskind mit seinen nun 25 Jahren: „Ich hab’s zuletzt öfters gesehen und dachte mir, es auszuprobieren. Mal schauen, wie lang es so bleibt.“