„Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Und hätte ich schlafen können, ich wäre wohl der Einzige in Tiflis gewesen“, schildert Ferdinand Feldhofer die Szenen, sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Tiflis abgespielt hatten. Feuerwerke, Autokorso, Gesänge, Straßenfeste. „Es waren alle Menschen in Bewegung, alt, jung, groß, klein, dick, dünn, Frauen, Männer, Kinder. Die ganze Stadt feierte in einer Lautstärke, die ich so noch nicht erlebt habe“, erzählt Feldhofer. Als er um 7 Uhr Ortszeit (5 Uhr MEZ) von seiner Wohnung zum Trainingsgelände gefahren ist, haben vereinzelte Pkw noch immer mittels Hupkonzert den 2:0-Sieg über Portugal bei der EM und den damit verbundenen Aufstiegs ins Achtelfinale gefeiert.

Der 44-jährige Feldhofer wurde am 16. Juni als neuer Trainer von Dinamo Tiflis vorgestellt, heute im Super-Cup gegen Saburtalo gibt der Steirer sein Debüt an der Linie. In Tiflis hat die Karriere von Otar Kiteishvili begonnen. Mit dem Wechsel zu Sturm ist der Ausnahmefußballer noch besser geworden, er hat sich ins georgische Nationalteam und somit auch zu Euro gespielt. In den ersten beiden EM-Spielen musste der 28-Jährige aufgrund einer Muskelverletzung noch passen, gegen Portugal spielte er durch.

 Dinamo-Tiflis-Trainer Ferdinand Feldhofer
Dinamo-Tiflis-Trainer Ferdinand Feldhofer © GEPA

„Es war für uns und für das ganze Land ein überirdisches Glück, so ein Spiel wie dieses zu gewinnen. Wir sind stolz, unser Land zu vertreten, auf dem Feld zu sein. Es war hart, in zwei Spielen nicht am Spiel teilzunehmen. Natürlich war es cool, zu sehen, wie meine Teamkollegen ihr Bestes gaben. Aber es erfüllt mich viel, viel mehr mit Stolz, dass ich gespielt habe. Der georgische Verband und unsere Ärzte haben großartige Arbeit geleistet, fast alle unsere Spieler sind gesund und bereit für Spanien“, sagt Kiteishvili. Nach dem Double mit Sturm ist es der nächste Höhepunkt in der heutigen Saison.

Drei „Österreicher“

Sandro Altunashvili, aktuell beim Wolfberger AC unter Vertrag, kam bisher in den drei Spielen zu einem Kurzeinsatz: eine Minute bei der 1:3-Niederlage gegen die Türkei. Mit Luka Lochoshvili (Cremonese) hat ein dritter Georgier Österreich-Vergangenheit. Von 2020 bis 2022 spielte der heute 26-jährige Innenverteidiger ebenfalls beim WAC. Für Aufsehen sorgte er einst, als er am 27. Februar 2022 seinem Gegenspieler Georg Teigl vermutlich das Leben rettete, als er ihm auf dem Spielfeld die verschluckte Zunge herausgezogen hatte. Dafür erhielt er von der Fifa den Fairplay-Preis.

Der 26-Mann-Kader wird mit einem Gesamtmarktwert von rund 161 Millionen Euro gelistet. Für gleich 130 davon sorgen drei Spieler. Nummer eins ist Chwitscha Kwarazchelia mit 80 Millionen. Der 23-Jährige wurde die vergangenen drei Jahre in Folge zu Georgiens Spieler des Jahres gewählt, steht seit 2022 bei Napoli unter Vertrag und trug zum Meistertitel 2023 der Süditaliener zwölf Tore und 13 Assists.

Auf Rang zwei folgt Giorgi Mamardashvili mit 35 Millionen. Dass er diesen Betrag auch wert ist, stellt der 23-Jährige aktuell unter Beweis. Er führt die Torhüter-Wertung bei der EM mit 20 Paraden an, sieben mehr als der zweitplatzierte Florin Nita (Rumänien). Nummer drei im Marktwertranking ist Georges Mikautadze (15 Millionen). Der 23-jährige Mittelstürmer führt aktuell mit drei Treffern die EM-Torschützenliste an.

Ein brillanter Auftritt

Trainiert werden die Georgier von Willy Sagnol, als Spieler mit Frankreich 2006 Vize-Weltmeister und mit FC Bayern Champions-League-Sieger 2001 sowie fünffacher deutscher Meister, der verrät, wie er seine Spieler motivierte: „Ich sagte ihnen, sie sollen sich erinnern, wie sie mit 16 oder 17 gespielt haben, ohne viel nachzudenken. Und das haben sie brillant gemacht, über allen Erwartungen.“

Georgien wandelt mit dem Aufstieg ins Achtelfinale auf den Spuren vergangener EM-Debütanten. So zogen 2016 Nordirland und die Slowakei ebenfalls in die Runde der letzten 16 an. Island (in der Gruppenphase 2:1-Sieger über Österreich, im Achtelfinale über England) scheiterte erst im Viertelfinale an Frankreich. Noch besser lief es für Wales, das bis ins Halbfinale vorstieß, dort gegen den späteren Europameister Portugal 0:2 unterlag.