Wenn Konrad Laimer über rechts kommt, dann ist das natürlich keine politische Frage wie bei den Franzosen, die den sportlichen Aspekt am Vorabend des EM-Auftakts der Österreicher im Grunde ins Abseits stellten. Das kann aber eine Rolle spielen, auch wenn von Vollprofis, und das sind alle Mitglieder der „Tricolores“, erwartet werden darf, dass sie in der Lage sind, sich 90 Minuten plus Nachspielzeit auf ein Fußballmatch zu konzentrieren. Doch die Mitglieder des ÖFB-Teams sind dermaßen fokussiert auf dieses punktuelle Großereignis am Montag in der Düsseldorf Arena, dass sie sich nicht einmal zu einer Einschätzung darüber hinreißen lassen, ob es denn ein Vorteil sein könnte, dass Frankreich vorrangig anderweitig beschäftigt ist.
Laimer bekannte sich voll und ganz zum eigentlichen Thema dieser Europameisterschaft und ließ jeglichen Ablenkungsversuch ins Leere laufen. „Wir schauen auf uns, worüber sie (die Franzosen) sich Gedanken machen, kann uns egal sein, ist mir persönlich auch egal, wir wissen, was wir wollen.“ Auch der Teamchef sah keine Veranlassung, die von Frankreichs Superstar Kylian Mbappe an diesem Abend eingeleitete Diskussion auf österreichischer Seite fortzuführen. „Ich war nicht dabei, mich interessiert nur, was bei uns passiert. Ich will das nicht kommentieren“, erklärte Ralf Rangnick.
Enormer Siegeswillen
Die österreichische Nationalmannschaft hat penibel auf diesen Tag X hingearbeitet und zieht die Linie durch. Angeführt vom Nationaltrainer vermittelt das Team auf sehr geschlossene Weise den Eindruck, einen Sieg und damit also eine Sensation nicht nur für möglich zu halten, sondern sie auch tatsächlich bewerkstelligen zu können. „Ich bin ein Typ, der sowieso immer gewinnen will“, sagt Laimer und er kann in Anspruch nehmen, damit für alle zu sprechen. Der Siegeshunger ist zu einem kaum zu stillenden Gefühl geworden für die Nationalteamkicker, seit Ralf Rangnick das Sagen hat. Mbappe wirkte bei aller allgemeinen Aufregung über das abweichende Thema sehr relaxed, hinsichtlich des Matches vielleicht zu entspannt. Die Österreicher haben nichts anderes im Kopf.
Diese Konzentration der Kräfte und der Gedanken geht einher mit einer Lust am Spiel, wie sie vom Nationalteam zuvor nicht zelebriert worden war. Wenn Ralf Rangnick erklärt, „wir freuen uns unbändig darauf“, dann hat diese Aussage jenes Gewicht, mit dem auch ein so schweres Kaliber wie Frankreich ausgehebelt werden kann. Die Überzeugung, im Kollektiv über die bei den Franzosen beständige Anhäufung individueller Klasse zu triumphieren, ist extrem stark ausgeprägt.
Auch das Spiel mit dem Ball
Es ist das Selbstbewusstsein, das sich im Laufe der vergangenen zwei Jahre signifikant verfestigt hat in den Köpfen der Österreicher. Sie lassen den Gegner auf sich zukommen, ziehen jedoch ihr eigenes Konzept durch, das betont der Teamchef bei jeder sich bietenden Gelegenheit. „Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken. Es wird darauf ankommen, welche Leistung wir erbringen und nicht darauf, ob Frankreich vielleicht nicht so stark ist wie üblich.“
Die Stärken sind klar definiert. Der direkte Zug zum Tor unter Einbeziehung möglichst kurzer Wege hat vor allem in der jüngeren Vergangenheit die Grundlage für zahlreiche Erfolge geschaffen. Dazu kommt ein mit schnellem Umschalten verbundenes Pressing, das mittlerweile aufgrund seiner Intensität international Aufsehen erregt und ebenso Vorbildwirkung wie auch Respekt erzeugt. Rangnick weiß aber auch, dass damit allein ein Team wie Frankreich nicht zu bezwingen sein wird. Daher soll auch der Anteil an der Spielgestaltung zunehmend größer werden. „Es geht in so einem Spiel auch darum, dass man Phasen des eigenen Ballbesitzes hat und mit denen dann sorgsam umgeht.“
Über die Aufstellung wissen die Spieler schon Bescheid, Rangnick hatte sie seit Samstag im Kopf. Möglich, dass für den Ballbesitz Florian Grillitsch in der Startaufstellung Platz nehmen darf. Dieser hat in Christoph Baumgartner einen starken Fürsprecher. „Es gibt kaum einen Fußballer, der mit so einem Ruhepuls spielt. Du hast nie das Gefühl, dass er ansatzweise nervös wird oder sich versteckt, er will jeden Ball.“ Österreich würde mit einem Sieg alles auf den Kopf stellen, die Quoten und die Marktwerte. Frankreich ist fünfmal so teuer wie das ÖFB-Team.