Die Taxifahrt vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle in die Innenstadt ist nichts für Menschen der Kategorie „ungeduldig“. Trotz vier Fahrspuren wälzt sich der Verkehr nur lähmend langsam vorwärts. Für die Pariser selbst offensichtlich Alltag, mit dem man sich arrangiert hat. Der Taxifahrer vertreibt sich die Zeit mit einem Kriegsfilm, den er während der ständigen Manöver Anfahren und Abbremsen auf seinem iPad konsumiert. Und im Auto rechts feilt sich eine Dame entspannt die Nägel.
Weniger entspannt gibt sich dieser Tage Karin Thiem. Die Mutter von Österreichs scheidendem Tennishelden Dominic zog am Montag mit einem Post auf Instagram die Aufmerksamkeit auf sich. Zu einem Foto, das ihren Sohn nach seinem Erstrundensieg in der Qualifikation der French Open von den Massen bejubelt zeigt, schrieb sie: „An alle obergscheiten Österreicher, Journalisten, Kabarettbesitzer und sonstigen armen Würsteln und Heisln!“ Eine Reaktion auf die in den vergangenen Wochen und Monaten aufgrund ausbleibender Erfolge in der Öffentlichkeit aufgekommene Kritik an ihrem Sohn, der mit Saisonende zurücktreten wird.
Interviewanfrage abgelehnt
Also viel Aufregung im Umfeld von Thiem, der am Dienstag in Paris österreichischen Medien nicht für ein Interview zur Verfügung stand. Eine entsprechende Anfrage wurde von Manager und Bruder Moritz aufgrund vergangener, zu kritischer Berichterstattung abgelehnt. Den Veranstaltern der French Open stand der Lichtenwörther aber für Fragen zur Verfügung. Dass er an der Seine, wo er zweimal im Finale (2018, 2019) und zweimal im Halbfinale (2016, 2017) stand, bei seinem Pariser Abschied nicht mit einer Wildcard berücksichtigt wurde, sei für Thiem gerechtfertigt, habe er zuletzt doch nicht die erforderlichen Leistungen erbringen können.
Der Entschluss zum Rücktritt sei entstanden, nachdem er gemerkt habe, „dass ich nicht mehr meinen alten Level erreichen kann. Dann habe ich mir gesagt: ,Ich genieße ein letztes Jahr und schließe dann das Kapitel als professioneller Tennisspieler‘. Es ist nicht das Ende des Lebens und ich hoffe, dass etwas neues Aufregendes auf mich zukommt.“ Mit den French Open werden ihn immer die besten Erinnerungen verbinden: „Als ich am Höhepunkt war, hatte ich nicht realisiert, wie gut ich eigentlich spiele, speziell bei diesem Turnier. Die French Open haben mir vom Junioren-Bewerb an viele großartige Erinnerungen gegeben.“
Wie weit geht die finale Reise?
Und vielleicht kommen heuer noch ein paar große Momente hinzu. Nach seinem Auftaktsieg über Franco Agamenone trifft Thiem am Mittwoch (zweite Partie nach 11 Uhr) in der zweiten Qualifikationsrunde auf den Finnen Otto Virtanen. Die Unterstützung der Pariser Fans, die sich bereits in der Woche vor dem eigentlichen Turnierstart zu Zehntausenden auf der Anlage von Roland Garros tummeln, ist dem Österreicher sicher. Wieder ist sein Spiel auf dem Court Suzanne Lenglen angesetzt, wieder werden Zehntausende zuschauen. Zu Recht, hat Dominic Thiem doch bereits so viele schöne Tennis-Märchen in den Pariser Sand geschrieben.
Bleibt noch ein Blick zu den anderen Österreichern, die sich in der Qualifikation versuchen. Lukas Neumayer verlor zum Auftakt gegen Diego Schwartzman, der ebenfalls seinen „Last Dance“ auf dem Pariser Sand absolviert, 2:6, 3:6. Dennis Novak gewann gegen Oriol Roca Batalia (ESP) 6:4, 6:2, Jurij Rodionov ging gegen Daniel Rincon (ESP) 6:2, 5:7, 2:6 ein. Am Mittwoch in der zweiten Runde neben Thiem im Einsatz: Filip Misolic gegen Blanchet (FRA) und Sinja Kraus gegen Baptiste (USA).