Fußball-Serienmeister Red Bull Salzburg trennt sich mit sofortiger Wirkung von Cheftrainer Gerhard Struber. Das gab der Club am Montag bekannt. Liefering-Coach Onur Cinel übernimmt bis Saisonende die kriselnden „Bullen“, der Deutsche wurde dafür vom Zweitligisten vorübergehend freigestellt. „Wir haben in den letzten drei Spielen eine Entwicklung gesehen, die uns zum Handeln gezwungen hat“, sagte Geschäftsführer Stephan Reiter auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.
Die Salzburger haben in den vergangenen zwei Wochen in der Liga einen Fünf-Punkte-Vorsprung auf Verfolger Sturm Graz verspielt und sind daheim im Cup-Halbfinale gegen die Steirer ausgeschieden (3:4). Der Meister der letzten zehn Jahre ist zwar immer noch Tabellenführer, aber nur wegen der besseren Bilanz in den direkten Duellen mit Sturm. Nach der 1:3-Niederlage beim LASK am vergangenen Freitag wurde nun die Reißleine gezogen und Struber beurlaubt.
Kommentar von Michael Lorber: Gerhard Struber war eine Fehlbesetzung mit Ansage
„Natürlich fällt so eine Entscheidung schwer, vor allem wenn man sich schätzt. Es gibt Clubziele, denen wir alles unterordnen müssen und sollten“, erklärte Sportdirektor Bernhard Seonbuchner. „Wir wollten alles dafür tun, um die Wahrscheinlichkeiten bestmöglich zu erhöhen, dass diese Mannschaft und dieser Club das Saisonziel erreichen können. Dahingehend ist das für uns für die restliche Saison die bestmögliche Lösung.“
Cinel, der in Liefering bis zu seiner Rückkehr nach Saisonende von U18-Coach Daniel Beichler ersetzt wird, wird am Dienstag erstmals das Training leiten und soll für neue Impulse im Titelkampf sorgen. „Ich habe da nicht lange überlegen müssen. Für mich war klar, in dem Moment, wo ich helfen und unterstützen kann, dass ich die Verantwortung übernehme und selbstverständlich dabei bin“, sagte der 38-Jährige, der die Spieler, das Trainerteam und die Abläufe bei Red Bull kennt. „Ich muss da nicht bei Null starten, das hilft mir und der Mannschaft.“
Cinels Auftrag ist jedenfalls klar, die sportliche Abwärtsspirale soll gestoppt und der Meistertitel verteidigt werden. Denn dieser garantiert die Teilnahme an der Champions League 2024/25 und somit Millionen-Einnahmen und hochkarätige Spiele. „Onur ist ein ausgewiesener Fachmann und einer, der uns bestens bekannt ist“, erklärte Seonbuchner die Entscheidung. „Er soll die Mannschaft auf die kommende englische Woche vorbereiten, dafür hat er jetzt ein paar Tage Zeit.“
Reiter und Seonbuchner sehen jedenfalls genügend Qualität im Kader. „Wir haben eine Mannschaft, die einerseits verunsichert aufgetreten ist, auf der anderen Seite aber auch über jede Menge Potenzial verfügt. Es geht jetzt darum, das aus unserer Sicht vorhandene Potenzial auf dem Platz sichtbar zu machen“, sagte der Sportdirektor.
Struber habe man am Sonntag über den Schritt informiert, berichtete Seonbuchner. „Das sind keine angenehmen Gespräche, gerade wenn man eine gute persönliche Beziehung hat. Es war ein unter den Umständen gutes, professionelles Gespräch, nach dem wir uns die Hand gegeben und in die Augen geschaut haben“, so der 40-Jährige. „Ich bin natürlich enttäuscht, zumal jeder weiß, wie speziell dieser Job in Salzburg für mich war“, wurde Struber zitiert.
Dieser hatte erst im vergangenen Sommer das Traineramt in Wals-Siezenheim übernommen, nachdem Matthias Jaissle zu Saisonbeginn überraschend zu Al-Ahli nach Saudi-Arabien gewechselt war. Der 47-jährige Kuchler wurde nach dem ersten Spieltag als Nachfolger verkündet und galt als interne Lösung, da er aus dem Red-Bull-Kosmos stammt und verschiedene Funktionen in Salzburg, Lieferung und New York ausgeübt hatte.
Unter seiner Ägide kehrte Salzburg jedoch nicht mehr zur gewohnten Dominanz der vergangenen Jahre zurück. Die „Bullen“-Elf gewann seit dem Antritt Strubers 20 von 35 Pflichtspielen in Meisterschaft, Cup und Champions League. Dazu gab es sieben Unentschieden und acht Niederlagen. Nach der Pleite in Linz wurde nun ein Schlussstrich gezogen. Struber ist erst der dritte Salzburg-Trainer in der Red-Bull-Ära, der während der Saison seinen Hut nehmen muss. Das ist vor ihm nur Huub Stevens (2011) und Peter Zeidler (2015) widerfahren.
Spekulationen darüber, wer im Sommer in Wals-Siezenheim als neuer Cheftrainer aufschlägt, erteilte die sportliche Führung eine Absage. „Wir konzentrieren uns jetzt auf den Moment, wir wollen die Saison bestmöglich abschließen. Darauf gilt die volle Konzentration. Danach kommt die Zeit, sich über die Nachfolge Gedanken zu machen“, meinte Seonbuchner.