Es hat lange gegoren in Julian Schütter. Seit er im November nach einer Knieverletzung wieder ins Trainings- und Renngeschehen eingestiegen war, spürte er nicht mehr die gewohnte Erfüllung in seinem Tun. „Ich habe gemerkt, dass es für mich nicht mehr erstrebenswert ist, eine Karriere als Skifahrer hinzulegen und dann mit 35, 40 Jahren aufzuhören.“ Die große Zahl an Verletzungen im Welt- und auch Europacup nährten den Gedanken ans Aufhören. „Ich habe gemerkt, dass es mir nicht mehr wert ist, meine körperliche Gesundheit zu riskieren.“ Im Alter von von nur 25-Jahren zieht eine der ÖSV-Abfahrtshoffnungen einen Schlussstrich unter eine Karriere, die ihn zu elf Einsätzen im Weltcup geführt hatte.
Und natürlich waren die Verletzungen mit ein Grund, warum es nicht mehr ging. „Ich kenne keine Statistiken und ich glaube auch nicht, dass es heuer mehr Verletzungen als in den Jahren zuvor sind. Es traf aber mehr Athleten aus der ersten Reihe und daher wirkte es verstärkt.“ Die eigenen Bandscheibenprobleme im Bereich der Lendenwirbelsäule hätten ihn an einer Weiterführung der Karriere zwar nicht gehindert, und die WM in Saalbach hätte ihm schon auch gefallen, doch die Gesundheit wäre ihm das wichtigere Gut. Im ersten Moment der Gewissheit, die Karriere beenden zu wollen, hat sich diese Entscheidung wie eine Befreiung angefühlt. Ausgesprochen hat er das Ende aber lange nicht. „Wenn man so eine Entscheidung getroffen hat, ist es nicht immer einfach, nicht an ihr zu zweifeln“, sagt er. Doch trotz aller Zweifel: Er blieb dabei, dem Weltcupzirkus den Rücken zu kehren.
Einer breiten Masse wurde der Ennstaler erst bekannt, als er medienwirksam begann, sich für die Umwelt starkzumachen. Im Februar 2023 forderte er die FIS und ihren Präsidenten Johan Eliasch in einem ersten offenen Brief auf, Klimaschutzmaßnahmen zu treffen. 140 Athletinnen und Athleten hatten das Schreiben damals unterschrieben, mittlerweile sind es mehr als 500. Und das Ende der Skikarriere ist auch keinesfalls das Ende seiner Aktivitäten im Kampf gegen den Klimawandel: „Ich werde mich natürlich als Aktivist weiterhin engagieren. Wie genau, weiß ich bis jetzt nicht. Dass ich mit dem Rennfahren aufhöre, ändert ja nichts am Unverständnis dafür, dass wir auf einem Selbstzerstörungskurs sind. Ich habe die Hoffnung, dass wir das noch drehen können.“
Er beabsichtigt, sich im Dienste des Klimas „breiter aufzustellen“ und will auch auf die Politik einwirken. Selbst setzte er nicht nur mit den Schreiben Signale. Er war bei den Fridays for Future aktiv, verteidigte und unterstützte die Anliegen der „Letzten Generation“, ohne ein Teil davon zu sein. Seine Expertise soll Schütter auch in der Klimaarbeitsgruppe des ÖSV einbringen. Auf seinen Kanälen in der virtuellen Welt zeigte er immer wieder Alternativen in der Mobilität auf, nutzt selbst die öffentlichen Verkehrsmittel, um zu Trainings und Rennen zu reisen. In zwei Wochen wird er sich einer Operation an der Lendenwirbelsäule unterziehen und dann regenerieren. Aber er verspricht: „Man wird etwas von mir hören.“