Seit seinem Skiunfall am 29. Dezember 2013 in Méribel führen Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher und seine Familie ein anderes Leben. „Ich glaube, dass man in solchen Fällen lernt, gewisse Momente anders wahrzunehmen“, sagt Sohn Mick Schumacher, der damals erst 14 Jahre alt war, heute. „Man lernt, die kleinen Dinge zu schätzen.“ Für Schumachers Ehefrau Corinna steht fest: „Es war einfach richtig Pech. Mehr Pech kann man im Leben nicht haben.“ Es hätte auch ans Meer gehen können mit viel Sonne und Strand. Der Schnee sei nicht optimal, hatte Michael Schumacher vor dem anstehenden Winterurlaub in den französischen Alpen vor exakt zehn Jahren seiner Frau gesagt. „Wir könnten ja nach Dubai fliegen und dann gehen wir da springen“, hatte der leidenschaftliche Fallschirmspringer vorgeschlagen. Sie entschieden sich dann aber doch für die Berge und das Skifahren.
Um kurz nach elf Uhr an dem Sonntag in der Früh passierte es. „Michael ist bei einem privaten Skitrip in den französischen Alpen auf den Kopf gestürzt. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und wird medizinisch professionell versorgt“, teilt seine Sprecherin Sabine Kehm etwas später mit. Die Dramatik wird aus diesen Worten nicht klar. Es waren Stunden, in denen es bereits um Leben und Tod für den zweifachen Familienvater ging. An der Unfallstelle war der damals 44-Jährige zwar verwirrt, aber ansprechbar. Fremdverschulden schloss die ermittelnde Staatsanwaltschaft später aus, Schumacher war auch nicht schnell unterwegs gewesen. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn zuerst ins Krankenhaus von Moûtiers, von dort direkt weiter in die Universitätsklinik Grenoble. Rund eineinhalb Stunden vergingen so seit dem Unglück. Schumacher wurde notoperiert.
Welle der Anteilnahme
Wie schwer die Verletzungen waren, ließ sich zunächst nur vage erahnen. Eine Welle der Anteilnahme am Schicksal des bis dahin mit Abstand erfolgreichsten Formel-1-Piloten und eines der weltweit bekanntesten Deutschen brach los. Kumpel Sebastian Vettel schickte noch eine SMS. „Hab gehört, du bist gestürzt, hoffe, es ist nichts Schlimmeres, gute Besserung“, verriet Vettel später den Inhalt. „Werd bitte schnell wieder gesund“, postete der damalige DFB-Teamspieler Lukas Podolski in den sozialen Netzwerken. Festgestellt wurde ein „Kopftrauma mit Koma“, wie die behandelnden Mediziner am späten Sonntagabend erklärten. Schwere Unfälle in der Formel 1 und auch auf dem Motorrad hat Schumacher glimpflich überstanden. Nun war sein Zustand „außerordentlich ernst“, wie die Ärzte in einer Pressekonferenz am 30. Dezember 2013 verlautbarten. Schumacher schwebte in Lebensgefahr.
Ende Jänner erst erklärt Schumachers Managerin, dass die Narkosemittel seit Kurzem reduziert werden, „um ihn in einen Aufwachprozess zu überführen, der sehr lange dauern kann“. Anfang April 2014 teilte sie mit: „Er zeigt Momente des Bewusstseins und des Erwachens.“ Mitte Juni ließ Kehm schließlich wissen, dass Schumacher nicht mehr im Koma sei. „Michael hat das CHU Grenoble verlassen, um seine lange Phase der Rehabilitation fortzusetzen.“ Wie es Michael Schumacher seitdem geht, ist nicht bekannt. Versuche, ihm nahezukommen oder anderweitig Informationen über seinen Zustand zu bekommen, gab es vor allem in der Anfangsphase. Ein Journalist, der sich als Priester verkleidete und in Schumachers Zimmer im Krankenhaus wollte, ist nur ein Beispiel.
Privatsphäre schützen
Im August 2014 wurde ein hochrangiger Mitarbeiter der Schweizerischen Rettungsflugwacht REGA festgenommen. Die Ermittlungsbehörde eröffnete ein Strafverfahren wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses. Teile von Michael Schumachers Krankenakte waren zuvor verschiedenen Medien angeboten worden. Der REGA-Mitarbeiter wurde einen Tag nach seiner Festnahme erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Dritteinwirkung schloss die Staatsanwaltschaft aus. Michael Schumachers Befinden bleibt ein Rätsel – und diese Tatsache ist ein Phänomen. „Es ging immer darum, Privates zu schützen“, erklärte der Medienanwalt der Familie Schumacher, Felix Damm, im Oktober. „Michael hat uns immer beschützt, jetzt beschützen wir Michael“, sagt Corinna Schumacher in einer Dokumentation, die seit 2021 bei Netflix zu sehen ist. Darin gibt die Familie mit Corinna, Mick und dessen Schwester Gina zum ersten Mal auch Einblicke in das Zusammenleben nach dem Unfall.
„Wir leben zu Hause zusammen, wir therapieren, wir machen alles, damit es Michael besser geht und gut geht und dass er unseren Familienzusammenhalt auch einfach spürt“, erzählt Corinna Schumacher. „Jeder vermisst Michael. Aber Michael ist ja da, anders, aber er ist da, und das gibt uns allen Kraft.“ Dem lieben Gott habe sie nie „einen Vorwurf gemacht, warum das jetzt passiert ist“.