Sport und Frauen – da sind wir von Gerechtigkeit im Vergleich zu den Männern noch weit entfernt. Doch wie schafft man es, dass Frauen zum einen selbst aktiver im Sport werden und zum anderen vielleicht auch die Schere in der Bezahlung, im Sport groß wie sonst kaum, kleiner wird? Das Grundproblem ist rasch identifiziert: Im Sport sind zu wenige Frauen an entscheidenden Stellen am Werk. Egal ob als Trainerinnen, Managerinnen, Sportdirektorinnen, Geschäftsführerinnen, Präsidentinnen. Die Idee: Mehr Frauen an entscheidenden Positionen können ein Problem lösen, das sich anbahnt. „Wenn wir in der Breite die Balance zwischen den Geschlechtern bei Funktionärinnen und Trainerinnen nicht haben und überproportional viele Mädchen im Volksschulalter oder in der Pubertät verlieren, dann fehlen uns genau diese Frauen dann später auch an der Spitze der Strukturen“, sagt Claudia Koller. Sie ist Geschäftsführerin des Vereins „100% Sport“ (und sich selbst so nennende „Quotenfrau“ in der Ethik-Kommission der Fußball-Bundesliga) – und beschäftigt sich exakt mit dem Thema der Geschlechter-Gleichstellung im Sport. „Das Vereinsleben ist die Basis des organisierten Sports“, sagt sie.
Doch was tun? „Zuckerl“ für Vereine, die Frauen verantwortungsvollere Aufgaben geben, wären für Koller ein möglicher Schritt – wenn auch nicht der optimale. Ein anderer Schritt ist das „Gender Trainee Programm“ des Sportministeriums, in dem Frauen exklusiv eine Ausbildung erhalten, um dann in führenden Funktionen im Sport tätig zu sein. Aber alles der Reihe nach ...
Koller stellt fest: Es wird sehr viel dem Zufall überlassen wird. Zu den dringlichen Fragen der „Geschlechtergerechtigkeit“ – oder „Gender Equality“, wie man es neudeutsch nennt – gibt es kaum verwertbare Daten: Wie viele Mädchen und Burschen gibt es in den einzelnen Sportarten? Wie viele Geschäftsführerinnen in Vereinen oder Verbänden? Wie viele Präsidentinnen? Wie sieht das Frauen-Männer-Verhältnis in den Gremien aus? Über den Ist-Zustand weiß man zu wenig, um entsprechende Maßnahmen setzen zu können. „Wir haben kein komplexes Bild, dabei wäre genau das so wichtig“, sagt Koller. Aktuell würden zwar im Rahmen eines EU-Projekts wieder Zahlen erhoben und EU-Länder so anhand einheitlicher Indikatoren vergleichbar gemacht. Aber: „Wir feiern dann diese Zahlen, ändern nichts und drei Jahre später findet dann die nächste Befragung statt.“
Fest steht auch ohne konkrete Zahlen: Zu viele Mädchen hören zu früh mit Sport auf. Und im österreichischen Spitzensport sind zu wenig Trainerinnen und Funktionärinnen zu finden – nur etwa 20 Prozent aller Betreuerinnen sind weiblich – und das meist in festgefahrenen Rollen. Bewusst überspitzt formuliert: „Die Frauen, die in Österreichs Spitzenteams arbeiten, tun das meist als Physiotherapeutinnen“, sagt Koller. Auch, dass Frauen im Breitensport vorrangig das Kindertraining übernehmen und dabei bleiben, sei ebenso typisches Phänomen. Es überrasche nicht, dass sich vor allem Männer in Trainer-Aus- und -Weiterbildungen befinden, sagt Koller: „Warum sollten sich Frauen in eine Richtung ausbilden lassen, wo sie keine Chance haben?“
Ein Trainee-Programm soll Abhilfe schaffen
Diese Frage hat man sich auch im Bundesministerium für Sport gestellt und ein „Gender Trainee“-Programm ins Leben gerufen – exklusiv für Frauen, um zu helfen, diese so in entscheidende Rollen zu bringen. Drei Module stehen zur Auswahl: „Nachwuchstrainerin im Spitzensport“, „Sportmanagerin“ oder „Talentecoachin“. Den Weg als Nachwuchstrainerin im Spitzensport hat die 25-jährige Niederösterreicherin Katharina Seidl eingeschlagen. Sie ist in Schladming in der Skihandelsschule im Trainerteam – als eine von derzeit nur zwei Frauen. Auch die einzige weibliche Trainer-Kollegin ist über das Gender-Trainee-Programm in Schladming gelandet. „Ich habe selbst schon viel darüber nachgedacht, warum das so ist“, sagt Seidl.
Als Trainerin kann sie sich jetzt „eine Theorie zusammenbasteln“, wieso es so wenige weibliche Kolleginnen gibt: „Es kommt immer wieder vor, dass ich bei Rennen nicht für voll genommen werde, oder gar belächelt werde, weil ich den Sack mit den Torstangen ja wohl kaum alleine tragen kann“, berichtet sie. Botschaften, die andere Trainer senden – meist alteingesessene, die es „nicht kennen, dass da eine Frau daherkommt und die gleichen Aufgaben hat“. In der Schule selbst macht Seidl ähnliche Erfahrungen übrigens nicht: „Da wissen alle, was ich leiste und dass ich nicht nur wegen der Frauenquote da bin.“
Es geht nicht nur um „Frauenthemen“
Und auch, wenn Seidl „nicht alles weiblich machen“ würde, so sind Trainerinnen im Umgang mit Sportlerinnen mitunter im Vorteil. „Die Athletinnen kommen mit Themen zu mir, mit denen sie zu männlichen Kollegen nie gehen würden“, sagt Seidl und betont, dass es sich dabei „nicht nur um Frauenthemen“ handle, selbst wenn es dabei natürlich Vorteile gäbe: „Ich tu mir leichter, nachzufragen, in welcher Phase des Zyklus der Kreuzbandriss passiert ist“, sagt Seidl. Oder die Rücksichtnahme auf „menstruationsgesteuertes Training. Ich hab da mehr Erfahrung.“ Gleichzeitig falle es männliche Kollegen leichter, bei pubertierenden Burschen durchzugreifen. „Aber das ist nicht nur Geschlechter-, sondern auch Typ-Frage. Ich bin die freundliche Trainerin, durchzugreifen fällt mir schwer“, sagt Seidl.
Die Niederösterreicherin sieht das „Gender Trainee“-Programm als „Eintrittspforte“ in die Sparte. „Ich kann mir ein Netzwerk aufbauen, bekomme Kontakte“, sagt sie. Auch die Sportwissenschafterin Koller hätte sich solch ein Programm zu ihrer Studienzeit gewünscht. „Ich habe während des Studiums wenige Vorbilder gesehen. Ein Mentoring-Programm wäre auch damals toll und wichtig gewesen“, sagt Koller. „Wenn es so gelingt, dass nach und nach Frauen auch in bessere Positionen im Sport sitzen – perfekt.“ Und doch: „Alle diese Frauen haben schon eine Ausbildung und werden in ein Trainee-Programm gesetzt. Ich frage mich schon, was das für eine Message nach außen sendet.“