Er hat viele Derbys gesehen in Graz. Kein Wunder, ist Erwin Wendl doch das älteste lebende GAK-Mitglied. Als solcher durfte ihn Ex-Präsident Rudi Roth einst schon bei den Feierlichkeiten des ersten GAK-Meistertitels in der obersten Spielklasse ehren. Das war im Jahr 2004, damals zählte der Bauingenieur noch „jugendliche“ 82 Jahre. In der Zwischenzeit ist Wendl dreistellig, am 11. Jänner kommenden Jahres will er den 102. Geburtstag erleben. Das Cup-Derby am Donnerstag wird nicht live im Stadion erleben. Nach einer OP sitzt der gebürtige Weizer derzeit im Rollstuhl. „Aber im Fernsehen“, versichert er, „werde ich sicher zuschauen. Wer überträgt?“
Wendls Lebensgeschichte böte Stoff für einen Roman. Mit zwölf Jahren war er in die Landeshauptstadt gekommen und war schnell GAK-Mitglied. „Damals“, erinnert er sich, „war der Verein eher jener der Bürgerlichen.“ Das war aber nicht vordringlich, denn im Vordergrund stand die Lust auf und an der Bewegung. „Wir waren gut durchtrainiert. Ich kann mich erinnern, dass es ein Mitglied gab, das ließ uns um die Wette laufen. Wer über 400 Meter am schnellsten war, hat eine Buttersemmel bekommen.“ Die schönste Zeit: Wenn es einen Ball gab, dem man hinterherjagen konnte. Wendl tat das auf dem Feld, allerdings meist mit der Hand: Er war Feldhandball-Spieler, als solcher auch zweimal Meister mit dem GAK und einmal auch WM-Dritter.
Als echter „Roter“ aber war er natürlich auch im Fußball immer dabei. Speziell im Derby. In der Jugend sogar auch als Spieler: „Wenn sie einen Schnellen gebraucht haben, dann haben sie gerne auf die Handballer zurückgegriffen. Also war ich im Fußball auch dabei“, erinnert sich Wendl. Detailgetreu kann er aus dieser Zeit erzählen, wie auch später von seinen schrecklichen Erlebnissen im Krieg. Selbst wenn er sich dem Wechsel in die SS-Sportgemeinschaft verweigerte, auch auf die dafür geschenkte Matura verzichtete, sie auf „normalem Weg“ absolvierte. „Aber danach wurde ich zur Wehrmacht eingezogen, da hatte ich wenig zu reden“, seufzt er. Die Folge: Sowohl beim Kampf um Stalingrad („Da habe ich da gekämpft, wo sie auch heute kämpfen“), als auch nach Genesung im Kanaltal gegen die US-Truppen erlitt er schwere Verletzungen.
Doch dem Sport blieb er verbunden, dem Derby sowieso. „GAK gegen Sturm, das war immer eine Rivalität, eine echte Gegnerschaft. Aber ich war nie ein Sturm-Feind, auch wenn ich immer reiner GAK-Anhänger war. Wir Handballer haben oft auch auf dem Sturm-Platz unsere Spiele gespielt, das Einvernehmen war gut“, sagt Wendl. So oft es ging, war er, der auf sein 90. (!) Jahr als GAK-Mitglied zusteuert, im Stadion, speziell bei Derbys. „Es müssen wohl an die 100 gewesen sein“, sagt er. Die Erinnerungen an die einzelnen Spiele verschwimmen. Was er sehr wohl noch weiß: Dass er mit den Leistungen von Rudi Roth, als der im Tor war, „zufrieden war“, erklärt er und lacht mit dem Ex-Präsidenten, der ihn später auch in den Vorstand holte. Oder daran, dass er einmal mit diesem auf dem Sturm-Platz zwischen Sturm-Fans sitzen musste. „Da sind wir ungut aufgefallen, weil wir uns halt für den GAK gefreut haben“, sagt Wendl, „am Ende gab es dann ein Krügel Bier über den Kopf.“
Mit dem Grazer Sport verbindet Wendl auch sonst viel: Als Zivilingenieur hat er mit seiner Firma etwa das heute denkmalgeschützte Dach der Eisarena in Liebenau erdacht und errichtet; ebenso das Trainingszentrum in Weinzödl.
Was er sich wünschen würde: „Dass der GAK den Aufstieg schafft. Im Vorjahr waren sie so knapp dran. Ich würd mich freuen, wenn ich das noch erleben dürfte.“ Denn: „Das Derby war immer der Höhepunkt des Jahres. Da war die Hütte voll, da wie dort.“ Was er sich aber wünscht: „Rangeleien gab es früher auch, aber man hat sich verstanden. Alle konnten normal nach Hause gehen.“