In der Steiermark werden 29.206 Betriebe von Frauen geführt. Nahezu 50 Prozent aller Unternehmensgründungen sind weiblich. Was empfinden Sie, wenn Sie diese Zahlen hören?
Gabriele Lechner: An erster Stelle empfinde ich Stolz, weil ich weiß, wie viele tolle Unternehmerinnen es in diesem Land gibt und weil ich sehe, dass immer mehr Frauen in die Selbstständigkeit gehen. Zugleich schwingt bei den Zahlen auch gleich mit, was noch alles zu tun ist. Und das ist doch eine ganze Menge.
Sie sind seit fast einem Jahr Landesvorsitzende von „Frau in der Wirtschaft“, einem Netzwerk für selbstständige Frauen und seit Kurzem Vizepräsidentin der WKO Steiermark. Was haben Sie bereits bewegt?
Eine meiner zentralen Forderungen war es, den Anteil an weiblichen Funktionärinnen zu erhöhen, bis in die Führungsebene. Dieser Punkt ist zum einen Teil bereits erreicht, zum anderen braucht die Umsetzung etwas Zeit, weil man hier an der Basis beginnen muss, die Leute aufzubauen. Das wichtigste meiner Ziele ist es aber, unseren Umgang miteinander zu prägen. Dabei geht es um unser Selbstverständnis als Unternehmerin.
Was wäre das konkret?
Ich wünsche mir, dass es für Unternehmerinnen selbstverständlich ist, über das Geschäft zu reden. Ohne Scheu, wir sind ja schließlich Unternehmerinnen. Ich wünsche mir auch, dass wir Geschäfte miteinander machen. Mein größter Antrieb ist es, daran mitzuwirken, dass das Geschlecht gar kein Thema mehr ist. Dass es keine Rolle spielt, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist. Es sollte um die Fähigkeiten, die Qualifikation, die Leistungen gehen.
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und Service, speziell für Frauen, ist notwendig.
So ist es. Wobei es aber in der jungen Generation schon wesentlich besser aussieht. Da ist von beiden Seiten ein geändertes Bedürfnis da, besonders wenn es darum geht, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Was sind die Gründe dafür, dass Männer und Frauen so unterschiedlich stark in den Spitzen der Wirtschaft vertreten sind?
Erstens fehlen den Frauen die Netzwerke, die bei den Männern eine sehr alte Tradition haben. Frauen fallen aus Netzwerken, die sie sich geschaffen haben auch oft wieder raus, klassischerweise dann, wenn sie Kinder bekommen. Zweiter Grund: Wir gründen eben auch Familien, und da sind wir nach wie vor oft hauptverantwortlich – auch, wenn sich das langsam ändert. Das gilt auch für die Pflege der Älteren. Der dritte Grund ist: Männer holen Männer.
Dann holen Frauen wohl auch Frauen?
Das ist sehr wahrscheinlich. Deswegen ist es auch so wichtig, dass Frauen wie Männer in hohen Positionen sitzen, denn nur so kommt dieser Mechanismus in Gang.
Welche Forderungen gibt es vonseiten „Frau in der Wirtschaft“?
Das ist eine Interessensvertretung, ohne die es viele heute gültige Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen nicht gäbe. Aktuelle Forderungen sind: mehr Funktionärinnen, weniger Steuerlast, Absetzbarkeit des Homeoffice für EPUs – die letzten beiden Punkte sind kürzlich in den Maßnahmenkatalog der Regierung aufgenommen worden! Zudem arbeiten wir gerade an einem umfassenden Service für Unternehmerinnen, das alle kritischen Punkte aufgreift, vor allem ab dem dritten Jahr des Bestehens. Mir persönlich ist es auch ganz wichtig die unternehmerischen Leistungen von Frauen sichtbar zu machen. Frauen vor den Vorhang zu holen, ist das Um und Auf! Durch die Präsenz werden sie zu Vorbildern, so entsteht Selbstverständlichkeit.
Gründen Frauen anders?
Mag sein, dass sie den Schritt in die Selbstständigkeit länger überlegen und anfangs weniger Risiko eingehen. Das ist aber völlig in Ordnung, kann auch ein Vorteil sein. Wichtig ist, dass Gründerinnen selbstbewusst und strategisch an die Sache herangehen und sich Unterstützung suchen.
Viele große, internationale Unternehmen haben einst klein begonnen.
Muss man von Anfang an groß denken, damit ein Betrieb wächst und gedeiht?
Ja, man muss groß denken. Ich bin sicher, dass sich – um aus meiner eigenen Erfahrung zu berichten – bei mir nie ein kleines, aber feines Unternehmen ergeben hätte, wenn ich nicht seit jeher eine Vision und Vorstellung davon in meinem Kopf gehabt hätte. Man lenkt das schon mit.
Wie kann man Unternehmergeist in der Gesellschaft fördern?
Dafür setzt man am besten in der Schule an. Ein Projekt von „Frau in der Wirtschaft“, das ich sehr spannend finde, heißt „Unternehmerin macht Schule“. Unternehmerinnen gehen dabei in Schulen und machen jungen Leuten Mut und Lust, unternehmerisch tätig zu sein. Unternehmergeist schon in den Schulen zu forcieren, steckt bei uns noch in den Babyschuhen. Dabei ist es wichtig, auch angesichts des Fachkräftemangels, darauf hinzuweisen, dass eine Lehre eine ausgezeichnete Basis für spätere Selbstständigkeit und Erfolg als Unternehmer/in sein kann. Auch die Lehre mit Matura hat enorm viel Potenzial.
Was muss stimmen, damit ein junges Unternehmen Chancen hat, auf dem Markt zu bestehen?
In diesem Punkt habe ich vielleicht unkonventionelle Ansichten. Es ist ja oft von der genialen Idee oder dem genialen Produkt die Rede. Ich bin der Meinung, dass man dann gute Karten hat, wenn man sich selbst gut motivieren kann. Denn es gibt auch Tage, an denen es nicht so läuft, wie man es sich vorstellt. Alle Selbstständigen zeichnet aus, dass sie sich in jeder Situation selbst motivieren können, offen sind für Neues und Lösungen suchen. Selbstmotivation, Eigenverantwortung und Lösungsorientiertheit sind die entscheidenden Eigenschaften.