Auf den weißen, ausgeblasenen Eiern sind mit Bleistift feine Muster aufgemalt. Diese gilt es, mit schwarzem Wachs nachzuziehen – mit einer Kistka. So heißt das Werkzeug, das wir verwenden, und das kurz vor Kriegsausbruch in Kiew gekauft wurde. „Schreiben“, nennt das Liudmyla Pihorych. Sie ist mit ihren drei Kindern aus der Ukraine geflohen.
Es sind gerade Osterferien. Wir sitzen in der Annenstraße 20 in Graz, in den Räumen des ukrainischen Kulturvereins „Ridna Domivka“, zusammen mit mehreren Frauen und Kindern. Die meisten sind erst seit Kurzem in Österreich – sie mussten fliehen. Der Verein möchte in der Steiermark lebende Ukrainer vernetzen, hier zweisprachig aufwachsenden Kindern Ukrainischunterricht anbieten, aber auch Österreichern die ukrainische Kultur näherbringen. Dazu gibt es Workshops, Leseabende und Bastelstunden. Aktuell wird aber auch Kleidung verteilt und einmal in der Woche psychologische Betreuung angeboten.
Nach kurzer Zeit ist das Wachs fest geworden. Die Eier werden nun in gelbe Farbe getaucht und danach trocken getupft. Dann geht es wieder ans „Schreiben“, wie es in der Ukraine schon seit vorchristlicher Zeit Brauch ist. „Die Tradition habe ich in meiner Jugendzeit bei den Pfadfindern erlernt“, sagt Pihorych, die in ihrem Heimatland als Werklehrerin gearbeitet hat, auf Ukrainisch. Nadiya Khaverko, die im Verein engagiert ist, übersetzt. Die Eier sind ein Symbol für das Leben und werden im Frühling verschenkt, auch um – so hofft man – Wünsche wahr werden zu lassen. Jede Farbe hat eine Bedeutung. Weiß steht etwa für Reinheit und Festlichkeit, Schwarz für den Tod, Rot für die Auferstehung.
Als Nächstes werden alle Flächen, die gelb bleiben sollen, mit Wachs abgedeckt. Dann tauchen wir die Eier in rote Farbe. Auch die 19-jährige Liza Chernova „schreibt“ ihre Eier. Sie macht das – wie wir – zum ersten Mal. Sie ist alleine von Kiew nach Österreich geflüchtet. Ihre Mutter ist nach Frankreich gegangen, da sie Französisch kann, und sie eben nach Österreich, da sie Deutsch spricht. Das habe sie sich selbst beigebracht, meint Chernova, die hier ihr Studium der Softwareentwicklung fortsetzen will.
Nun wird auch alles mit Wachs bedeckt, was rot bleiben soll. Dann werden die Eier noch ein Mal – mit Schwarz oder Blau – gefärbt. Als letzten Schritt gilt es, das Wachs wieder abzuschmelzen. Das Ei wird dazu in die Nähe der Kerzenflamme gehalten. Mit einem Tuch abwischen, Schleife anbringen und die Eier sind fertig.
Khaverko berichtet auch von weiteren Traditionen in der Ukraine – zur Sonnwende oder zu Weihnachten. Etwa von Weihnachtsliedern – aus denen man die ukrainische Kultur und Tradition heraushören könne – und die sich klar von russischen Gebräuchen unterschieden.