Psychische Erkrankungen sind im Vormarsch. So haben die Krankenstandsfälle in Österreich aufgrund psychischer Erkrankungen allein in den vergangenen zehn Jahren auf das 1,5-Fache zugenommen, während im selben Zeitraum die Krankenstände allgemein gesunken sind. Auch die krankheitsbedingten Pensionierungen aufgrund psychischer Leiden stiegen im langjährigen Vergleich signifikant. Dennoch ist es leider so, dass nur ca. 35 Prozent jener Personen, die eine Psychotherapie brauchen, diese auch in Anspruch nehmen.
Wahl der Methode
Obwohl es längst kein Tabuthema mehr sein sollte, ist der Gang zum Psychotherapeuten doch augenscheinlich noch immer nicht so einfach, wie jener zum praktischen Arzt. Dabei lohnt sich der Besuch auf jeden Fall. Eine Psychotherapie kennt viele Wege, um der Seele zu helfen. In Österreich sind derzeit 23 psychotherapeutische Methoden anerkannt, die sich grob in vier Bereiche einteilen lassen. Während die meisten tiefenpsychologisch-psychodynamischen Methoden vorwiegend im Unterbewusstsein ansetzen, geht es bei den humanistischen Methoden um die Förderung des Potenzials und die Selbstentfaltung des Klienten. Die systemischen Methoden stellen die Beziehung des Kranken und seiner Umwelt in den Mittelpunkt, und die Verhaltenstherapie spezialisiert sich auf die Ursachen und Behandlung gewisser schädlicher Verhaltensmuster und Fehleinstellungen.
Ausbildung als Fundament
Welche Art der Therapie im jeweiligen Fall die zielführendste ist und in welcher Form sie angewendet wird, wird vom Psychotherapeuten entschieden.
Um in Österreich den Beruf des Psychotherapeuten auszuüben, muss laut Psychotherapiegesetz eine zweistufige Ausbildung absolviert werden. Grundsätzlich ist diese immer postgraduell – das heißt, sie kann erst nach Abschluss eines entsprechendem Studiums oder einer Berufsausbildung im Gesundheits- und Sozialwesen gemacht werden.
In der allgemeinen fachspezifischen Ausbildung („Präpädeutikum”) werden die theoretischen Grundlagen erlernt und im Zuge von Selbstreflexion die Eignung für diesen besonders anspruchsvollen Beruf ausgelotet. Danach beginnt die drei- bis vierjährige fachspezifische Ausbildung zum Psychotherapeuten mit speziellen Schwerpunkten wie Depression, Sucht-erkrankungen, Kinder und vieles mehr.
Die Chemie muss stimmen
Neben der grundlegenden Fachausbildung ist aber vor allem die persönliche Beziehung des Therapeuten zum Klienten ausschlaggebend für eine erfolgreiche Heilung. Die Chemie ist es, auf die es ankommt – gerade, wenn es sich um den Vertrauensaufbau handelt, der unabdingbar für den Behandungserfolg ist. Ist diese nicht gegeben, wird die Psychotherapie höchstwahrscheinlich nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Natürlich herrscht für den Psychotherapeuten höchste Schweigepflicht.
Ein Problem ist oft auch die hohe Erwartungshaltung: Klienten erhoffen sich meist von der Therapie wie von einem Medikament eine rasche Heilung. Oder dass der Therapeut das Problem für den Klienten löst. Aber Psychotherapie ist Teamwork: Bei allem Einfühlungsvermögen und hervorragender Fachkompetenz kann auch der beste Therapeut nichts ausrichten, wenn es an der Bereitschaft des Klienten fehlt, ernsthaft an der Veränderung.