Es begann mit der Einzelkämpferin Greta Tunberg. Am 20. April 2018 – drei Wochen vor der schwedischen Parlamentswahl – schwänzte sie mit einem selbstgemalten Plakat „Skolstrejk för klimatet“ (Schulstreik für das Klima, Anm.) den Unterricht und wurde postwendend zum Medienphänomen. Eines, das auch in Österreich Nachahmerinnen fand.
Klimawandel, wie man damals noch sagte, wurde von jungen Protestierenden mit Stilmittel auf die politische Agenda gesetzt, wie man sie selten zuvor erlebt hatte. Die Radikalität der Vorschläge und die Kreativität der Protestslogans forderte auch die heimische Politik heraus. Angesichts der jungen Frauen, die oft das Wort führten, sprach FPÖ-Politiker Norbert Hofer gar von einer drohenden „Zöpferl-Diktatur“.
Wenngleich nicht gezopft, so aber doch mitgemeint war Marlene Seidel, gebürtige Grazerin, die den „Fridays For Future“-Gedanken anfangs in ihrer Heimatstadt umsetzte, mittlerweile auch als Studentin in Wien in der dortigen Klima-Protestszene aktiv ist. Und diese Protestszene zeichnet etwas aus, das vorangegangenen Jugendbewegungen oft fremd war: Durchhaltevermögen. Fast fünf Jahre sind seit dem Beginn der Klima-Proteste vergangen, dazwischen lagen zwei Jahre mit zahlreichen Pandemie-Einschränkungen, Anfeindungen von Teilen der Öffentlichkeit, denen der Protest – etwa das Festkleben an Kunstwerken oder Straßen – zu radikal war. Doch wie zum Trotz: Der Protest ebbt nicht ab, die Kampfkraft ist ungebrochen. „Ganz einfach, weil es auch keine Deadline für den Protest gibt“, meint Seidel.
Das Ziel des Kampfs sei – wenn überhaupt – erst dann erreicht, „wenn noch mehr Menschen beginnen, Teil der Lösung zu werden“. Denn wenngleich es sich viele in dieser Einfachheit wünschen würden: „Es gibt halt keine Schneekanonen gegen den Klimawandel.“ Wobei das, was man „die Lösung“ nennt, weder moralinsauer noch apodiktisch daherkommen soll. „Es gibt halt einfach Menschen, die ziehen keinen Mehrwert daraus, für ein Party-Wochenende nach Mallorca zu fliegen oder drei Schnitzel zu essen. Das ist nicht zwingend ein Verzicht.“
Die eigentlichen Adressaten des ungebrochenen Protests hätten sich in den letzten Jahren vielleicht ad personam geändert, die Institutionen dahinter sind aber die gleichen geblieben. „Die größte Stellschraube ist nicht dort, wo die Bagger ausgerollt werden, sondern bei den Menschen, die politische Entscheidungen treffen.“ So war es etwa auch, als in Wien das Protestcamp gegen den Lobau-Tunnel von der Polizei geräumt wurde. „Da empfand ich Trauer und nicht Wut. Denn die Polizistinnen, die uns Aktivistinnen gegenüberstanden, hatten auch nur ihre Befehle.“ Und man solle schon auch fragen: „Wer sind die Radikalen in unserem System? Jene, die wissentlich unsere Zukunft gefährden? Oder die, die so verzweifelt sind, dass sie ihren Körper beim Protest auf die Straße stellen?“ Man solle in zehn Jahren nochmals auf die laufende Diskussion blicken. Dass mittlerweile immer häufiger von der Klimakatastrophe – und nicht wie vor ein paar Jahren vom Klimawandel – gesprochen wird, sei einer der Erfolge die man sich zurechne.
Gleichzeitig wollen Menschen wie Seidel auch ein Umdenken bei den Klimazielen erreichen. „Wenn man das 1,5 Grad Ziel bei der Erderwärmung nicht erreicht – warum dann auf das zwei Grad Ziel gehen und nicht die vielen Stufen dazwischen? Etwa 1,500005 Grad?“ Sie wolle eben nicht „in eine Zukunft hinein rasen, in der ich nicht leben will“. Daher werde man auch heuer weiter kämpfen.