Kinder lachen in die Kamera, im Video sieht man eine bildschöne, schlanke und völlig entspannte Frau, wie sie Gemüse schneidet, Sauerteigbrot backt oder einfach die Kräuter aus dem Garten zu einem Pesto mörsert. Man kann es förmlich riechen, das gute Leben, die Entschleunigung und vor allem - diese makellose Ästhetik. Alles ist pur, natürlich, herrlich. Unter dem Instagram-Account „Ballerinafarm“ vermittelt die achtfache Mutter Hannah Neelman (33) in wunderschönen Bilder, Videos und Tutorials, wie Frau im Jahr 2024 auch leben könnte. Das gefällt auf Instagram fast neun Millionen, auf TikTok sieben Millionen Usern, die meisten sind Frauen.
Hannah ist eine „Tradwife“, also eine traditionelle Ehefrau, und damit sind wir im Thema. Denn Hannah und ihre ideologischen Freundinnen, wie etwa Esteec Williams, Alexia Delarosa oder auch die deutsche Seite „Tradwifefactory“ haben durch die sozialen Medien die Welt erobert, waren es früher im so genannten „Bible Belt“ der USA nur ein paar christlich-fundamentale Gruppe, die sich gegen Verhütung und für klare Geschlechterrolle ausgesprochen haben, so ist die Verbreitung und offenbar auch die Nachfrage heute enorm.
In sogenannten „Tradwife“ oder auch „Tradwoman“-Foren sammeln sich Frauen, die nicht mehr weiterwissen. Und hier bekommen sie Antworten. Die österreichische Extremismusforscherin Julia Ebner, die in London an der Oxford Universität und dem Institut für strategic Dialouge forscht, hat sich genau diese Foren angesehen. „Ich habe dort sehr unterschiedliche Frauen getroffen, die meisten sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, oft gut gebildet und manchmal auch sozioökonomisch gut gestellt. Sie alle eint eine gewisse Identitätskrise und die Foren sind oft wie Selbsthilfegruppe zu Beginn. Sie fragen sich, wie sie einen Mann finden oder wie sie mit dem Mann, den sie haben, harmonischer auskommen“, erzählt Ebner. Es gehe oft um eine „Weiblichkeitskrise“, doch die Rezepte sind beängstigend. „Es gibt die sogenannte „shut the fuck up-Theorie“, und diese besagt genau das. Dass man am besten den Mund halten soll, weil man dann jede Beziehungskrise lösen würde. Unter diesem Aspekt ist aber auch zu beobachten, dass die Frauen in den Foren oft häusliche Gewalt verharmlosen oder bewusst herunterspielen, denn das dann einfach „domestic discipline“, also die häusliche Disziplin und die würde ja wohl dem Mann zustehen“, so Ebner, die seit vielen Jahren politische Radikalisierungs-Dynamiken erforscht. Sie sieht übrigens Parallelen zu den „Incels“, das sind junge Männer, die unbeabsichtigt ohne Frau, jedenfalls aber auch ohne Sex leben und gegen Gleichberechtigung oder andere Formen von Frauenrechten ankämpfen, weil diese ihr Glück verhindern würden. „Frauen als auch die Männer kommen in einer Einsamkeitskrise an den Punkt, dass sie denken, die moderne Gesellschaft bietet ihnen keinen Raum. Bei den Frauen ist es tatsächlich oft so, dass sie gut ausgebildet sind und eine Karriere gemacht, aber eben keine Familie haben und hier wird ihnen gesagt: Konzentriere dich auf deine echten Aufgaben, niemand heiratet dich, weil du Bankerin bist“, erzählt Ebner. Wie schnell diese Idylle der 1950er-Jahre aber auch politisch gefährlich werden kann, zeigen Verbindungen zur Alt-Right-Bewegung in den USA, aber auch zur AFD in Deutschland. „Die neue rechte Szene und auch viele rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien möchte eine Gegenposition zu den liberalen Werten der meisten anderen Parteien darstellen. Die traditionelle Familie steht im Mittelpunkt und damit werden Frauenrechte, für die Feministinnen in den letzten Jahrzehnten gekämpft haben, in den Hintergrund gedrängt. Rechte der LGBTQ-Bewegung natürlich sowieso, es gibt hier nur ein binäres Geschlechterbild und das alles ist eine Glorifizierung der Vergangenheit“, analysiert Ebner. Besonders drastisch ist ein Beispiel einer Tradwife, die auf X (vormals Twitter) „Wife with a purpose“ (als Ehefrau mit einem Sinn) heißt und im echten Leben Alyla Stewart. Sie hat auf X eine „White Baby Challenge“ ins Leben gerufen. „Hier kommen rechte Ideologien mit Verschwörungserzählungen zusammen, die sich vor dem großen Austausch fürchten, also dass Migration die Gesellschaft zerstört. Die Challenge war so gedacht, dass sie schrieb: „Ich habe schon sechs weiße Babys gemacht - wie viel schafft ihr?““, erinnert sich Ebner an den gruseligen Wettbewerb.
Es gibt viele Anreize, um sich in das vermeintlich idyllische Bild zu sehen, in dem es keine Doppelbelastung und nur helles Kinderlachen gibt, doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt schnell, dass es eben kein Idyll, sondern ein Leben voller Abhängigkeiten und wenig Freiheit war. Zumindest bei „Ballerinafarm“ ist in letzter Zeit ein bisschen Realität für die Millionen User sichtbar geworden, denn Hannah, die dazu auch noch Mrs. America war (natürlich) ist Teil einer sehr reichen Familie. Ihr Schwiegervater, David Neeleman ist Inhaber der drittgrößten Fluglinie Brasiliens und besitzt einige weitere Fluglinien. Sein Vermögen wird auf hunderte Millionen Dollar geschätzt. Damit ist es für Hannah und ihre acht Kinder vermutlich ein bisschen einfacher, den Kindern schnell noch einen gesunden Milchshake zu machen, ehe ein neues Video, wie man mit dem Kitchen Aid-Mixer eine möglichst fluffige Butter schlägt, den Weg auf Instagram findet.