Mit seiner Ausstrahlung begeistert ein Sektenführer bei einer Reise nach Graz auch die streng religiöse Familie Müller. Die 17-jährige Tochter Gudrun begleitet Paul Schäfer schließlich nach Deutschland, um ihm dort beim Aufbau eines Jugendprojekts zu helfen.
Schäfer hat viele Anhänger, die er nicht nur mit seinem Charisma, sondern auch mit seiner religiösen Lehre in den Bann zieht. Doch hinter der frommen Maske verbirgt sich ein skrupelloser Machtmensch, ein Gewalttäter – und ein pädophiler Straftäter. Da er in Deutschland per Haftbefehl gesucht wird, ergreift er die Flucht nach vorne und gründet die "Colonia Dignidad" in Chile.
Elektroschocks und Selbstschussanlagen
Seine dunklen Seiten verbirgt Schäfer lange vor seinen Anhängern. Viele folgen ihm nach Südamerika – auch Gudrun Müller. Sie und ihre Geschwister glauben an den Traum, an die Vision, die ihnen Schäfer als Paradies auf Erden verkauft. Doch es sollte die Hölle auf Erden werden.
Manipulation, Missbrauch, Misstrauen, Ruhigstellen mit Medikamenten – mit allen Mitteln wurde verhindert, dass jemand die Kolonie verlässt. Liebesbeziehungen unter den Mitgliedern waren untersagt. Elektroschocks sollten die Erinnerungen der Opfer löschen. Sollte all das nicht reichen, erledigten Stacheldrähte und Selbstschussanlagen den Rest. Gleichzeitig pflegte Paul Schäfer beste Kontakte in die damals herrschende Pinochet-Diktatur und wahrte nach außen den Schein eines Vorzeigeprojekts.
Ein neues Leben in Freiheit
Fünf Jahrzehnte wird Gudrun Müller in der Sekte gefangen sein. Doch die (verbotene) Liebe und ihr Glaube halten ihre Hoffnung am Leben. Erst als Schäfer 1996 untertaucht, begann das System schließlich zu bröckeln. Müller konnte endlich gehen. Zurück in Graz begann für sie ein bisher unbekanntes Leben: eines in Freiheit.
Mit Julian Melichar und David Knes. Diese Aufzeichnung entstand im Rahmen des Kleine Zeitung Podcast-Festivals am 13. Mai im Grazer Schauspielhaus.