Die Nachbarin unserer Leserin ist seit kurzem „im reinen Wohngebiet“ zur Hühner-, Enten-, Wachtel- und Taubenhalterin geworden. „Es stinkt gewaltig, je nach Wetterlage; vom fröhlichen Gegacker gar nicht zu reden“, schilderte die betroffene ihre Situation und erklärte: „Statt nach Sonne sehne ich mich nach einem dauerverregneten Sommer. Ich bin wirklich verzweifelt und weiß nicht weiter!“
Lautes Gackern ist nicht ortsüblich
Laut dem Rechtsanwalt und einschlägigen Experten Wolfgang Reinisch hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung ausgeführt, dass in einem aufgelockerten Siedlungsgebiet mit dörflich-ländlichem Charakter, in dem sich auch landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften befinden und wo der nächste Hof mit Hühnerhaltung nur etwa 250 bis 300 m entfernt ist, Geräusche, die von artgerecht und in überschaubarer Zahl gehaltenen Hühnern (einschließlich eines oder zweier Hähne) ausgehen, als ortsüblich anzusehen sind, und zwar jedenfalls dann, wenn sich die Tiere zur Nachtzeit in einem Gebäude mit dicken Mauern aufhalten, sodass ihr Gackern und Krähen draußen nur in einer gemäßigten Lautstärke wahrgenommen werden kann.
„Nach dem geschilderten Sachverhalt handelt es sich hier um reines Wohngebiet in einer Stadt und die Hühner werden nur in einem Holzverschlag gehalten. Gelingt der Beweis, dass von den Hühnern tatsächlich eine intensive Lärmbelästigung ausgeht, wäre ein Unterlassungsbegehren erfolgversprechend“, erklärt der Experte.
Die Gerichte hätten in derartigen Fällen jeweils nach exakter Erhebung des gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhaltes immer im Einzelfall zu entscheiden, sodass generalisierende Aussagen nur schwer möglich wären.
Unangenehmer Gestank
Ähnliches gelte für die von unserer Leserin geschilderte Geruchsbelästigung. „Im Stadtgebiet werden von Tieren ausgehende Geruchsbelästigungen, sobald sie ein gewisses Ausmaß erreichen, häufig als ortsunüblich zu qualifizieren sein. Allerdings besteht bei Belästigungen durch Geruch in noch höherem Ausmaß als bei Lärmbelästigungen ein Beweisproblem, zumal die Geruchsbelästigung nicht messbar ist“, führt Reinisch weiter aus.
Die geschilderte hygienische Problematik werde seines Erachtens nach mit den Mitteln des Nachbarrechtes nur schwer fassbar sein.
PETER FILZWIESER