Unsere Leserin hat jahrelang aufgrund einer richterlichen Verfügung für ihre Tochter bis zur Beendigung des Studiums Unterhalt bezahlt. Jetzt schreibt sie ihr Testament und fragt sich: „Kann ich den von mir geleisteten Unterhalt vom gesetzlichen Pflichtteil des Erbes in Abzug bringen?“ Haupterbin ist die ältere Tochter, „zu welcher ein guter Kontakt besteht“.

Unterhaltspflicht

„Die Eltern haben gemäß § 231 ABGB zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen“, schickt der Rechtsanwalt Michael Kalmann voraus.

Der Elternteil, der den Haushalt führt, indem er das Kind betreut, leiste dadurch seinen Beitrag. Es bestehe eine gesetzliche Verpflichtung der Eltern zur Unterhaltsleistung grundsätzlich bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes.

Keine Anrechnung möglich

Ein Kind zähle grundsätzlich zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten in der Verlassenschaft nach einem Elternteil. „Eine Anrechnung der Unterhaltsleistungen bei Berechnung des Pflichtteils Ihrer Tochter findet aufgrund der oben beschriebenen gesetzlichen Verpflichtungen zur Unterhaltsleistung nicht statt!“, stellt der Advokat fest.

Es bestehe aber die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung gemäß § 776 ABGB: Der Verfügende könne den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindern, wenn er die Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht.

Die Beurteilung des „gewöhnlichen Naheverhältnisses“ beruhe auf einer Einzelfallbetrachtung. „Nach der Rechtsprechung ist auch bei sehr unregelmäßigen Besuchen im Abstand mehrerer Monate eine Nahebeziehung gegeben, nicht aber bei nur ganz sporadischem Kontakt. Ein Gefühl der Entfremdung seitens des Verfügenden reicht aber für eine Pflichtteilsminderung nicht aus“, erklärt Kalmann.

Eine Pflichtteilsminderung kann laut Rechtsanwalt nicht verfügt werden, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.

Bei gravierenden Fällen  wäre auch eine Enterbung möglich.