Unsere Leser wollen in einer Erbschaftsangelegenheit gerne Überraschungen vermeiden, „die zu einem Streit führen könnten in einer Zeit, in der der Verlust eines geliebten Menschen im Vordergrund stehen wird“.
Die Großmutter ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses, das sie ihrem Enkel nach ihrem Ableben vererben wird. Das ist auch bereits in einem Testament so festgehalten. Nun hat die Familie aber erfahren, dass ein Sohn der Großmutter, der schon seit Jahren im Ausland lebt und nur sporadisch Kontakt hält, als Wohnsitz deren Adresse angegeben hat. „Würde dieser Umstand zu Problemen führen bzw. Auswirkungen auf das Testament haben?“, fragen sich nun die Betroffenen.
Erbrechtliche Ansprüche
„Alleine wegen des Hauptwohnsitzes ergibt sich keinerlei erbrechtlicher Anspruch hinsichtlich der Immobilie“, beruhigt der Rechtsanwalt Konrad Burger-Scheidlin die Familie, der aber festhält, dass dem Onkel dennoch erbrechtliche Ansprüche zukommen.
So würde dem unter Umständen testamentarisch nicht bedachten Sohn der Großmutter zumindest ein Pflichtteil gegenüber seiner Mutter zustehen. Dieser entspreche der Hälfte seines gesetzlichen Erbanspruches. Dies würde laut dem Rechtsanwalt bedeuten, dass der Onkel seinen Pflichtteil in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbrechtes geltend machen kann.
Stelle das Haus den einzigen wesentlichen Vermögenswert dar, könne er aus dem Titel des Pflichtteilsrechtes seine Ansprüche gegenüber den Erben geltend machen, den Wert der Verlassenschaft schätzen lassen und anhand des Wertes und der errechneten Pflichtteilsquote seine Pflichtteilsforderung begehren. „Da der Pflichtteil ein Geldanspruch ist, berechtigt dieser aber nicht, einen quotenmäßigen Teil des Einfamilienhauses zu erhalten“, erklärt Burger-Scheidlin.
Fälligkeit wird gestundet
Obgleich der Anspruch mit dem Tod der Verstorbenen erworben werde, könne dieser vom Berechtigten aber erst ein Jahr nach dem Tod der Verstorbenen gefordert werden. „Aufgrund der neuen Gesetzeslage kann die Fälligkeit letztwillig oder über Antrag des Pflichtteilsschuldners für längstens fünf Jahre nach dem Tod der Verstorbenen gestundet bzw. gerichtlich eine Ratenzahlung festgelegt werden“, ergänzt Burger-Scheidlin, der eine gründliche Beratung empfiehlt.
PETER FILZWIESER