Eine neue Reise-Erfahrung tut sich auf, erobert man auf einer Flusskreuzfahrt einige der südlichen Départements Frankreichs. Durch die geöffnete Balkontür hat man das Gefühl, das Wasser streicheln zu können, während man im wahrsten Sinne in den Schlaf gleitet. Nachdem der erste Tag am breiten Kai von Lyon schon hinter uns liegt – inklusive herrlicher Verkostung in den Paul Bocuse-Markthallen und einer kleinen Wallfahrt hinauf zur Basilika Notre-Dame de Fourvière mit Blick über die Altstadt.

Und auch wenn die Lyoner sagen, dass es bei ihnen drei Flüsse gäbe – neben Saône und Rhône nämlich den Beaujolais –, ist es Erstere, auf der wir Richtung Châlon fahren. Wo der Ausflug nach Dijon uns ins historische Burgund führt und uns in der malerischen, kunstträchtigen Altstadt von glanzvollen Epochen erzählt wird. Wie später in Avignon, einer der weiteren Höhepunkte der Reise. Wo (auf der noch zum Teil erhaltenen) berühmten Brücke zwar keiner tanzt wie im Kinderlied, der mächtige Papstpalast – das größte gotische Bauwerk der Welt – zu einer weiteren Zeitreise und Geschichtsstunde lädt.

Alles gemütlich, denn die MS Voyage fährt im Schnitt mit 20 km/h, wie uns Kapitän Christophe Colin erklärt. Und beim Warten vor den acht Schleusen dieser Reise – die höchste zwischen dem mittelalterlichen Juwel Viviers und Arles, dem Tor zur Provence, ist 23 Meter hoch – scheint ohnehin die Zeit stehen geblieben zu sein. Obwohl man vom letzten Ankerpunkt (Arles mit seinen Überresten des Römischen Reiches) mit dem Bus noch bis in die Camargue zu den rosaroten Flamingos und weißen Pferden kommt und von dort für einen Sprung ins Meer in den entzückenden Küstenort Saintes-Maries-de-la-Mer gelangt, ist dieses Schiffsabenteuer eine entschleunigte Möglichkeit des Erkundens.

Lyon, die Stadt der zwei Flüsse: Erst geht es auf der Saône Richtung Norden, dann auf der Rhône in den Süden
Lyon, die Stadt der zwei Flüsse: Erst geht es auf der Saône Richtung Norden, dann auf der Rhône in den Süden © IMAGO

Eine abendliche Pianistin, die im gediegenen Salon sanfte Evergreens spielt, und eine Tombola mit Gewinnen aus dem Bord-Shop sind das Höchste an Animation; auf einer Flusskreuzfahrt huldigt man dem Savoir-vivre ohne verordnetes Theatergetöse. Die vorbeirauschende Natur ist Spektakel genug.

In Arles ankert das Schiff unweit des Platzes, wo einst Vincent van Gogh gelebt hat – und für viele Werke inspiriert wurde. Während man bei uns Narzissenköniginnen kürt, gehen wir vorbei an Plakaten, die die Krönung der Reiskönigin 2024 ankündigen. Ein Päckchen des berühmten roten Reises aus den Feldern der Camargue eignet sich vorzüglich als Mitbringsel.

Avignon mit dem mächtigen Papstpalast und der besungenen Brücke
Avignon mit dem mächtigen Papstpalast und der besungenen Brücke © IMAGO

Zurück ins schwimmende Hotel: Die 2023 renovierte MS Voyage strahlt innen das Flair einer Mini-Titanic aus; ducken muss man sich aber nicht vor Eisbergen, sondern nur bei zu niedrigen Brücken, die von der Crew aber ohnehin durch das Abspannen der Sonnenschirme auf dem Oberdeck angekündigt werden.

Serviert wird Vollpension; bei der exzellenten, französisch inspirierten Küche (etwa Dijon-Senf-Suppe, Chateaubriand und Crêpe Suzette) sollte man für acht Tage jede Diät-Pläne über Bord werfen. Mit nautischer Crew und dem Hotelpersonal sorgen 33 Menschen fürs Wohlbefinden der rund 150 Gäste. Bei Schlechtwetter lädt ein kleiner Wellnessbereich unter Deck ein, der Whirlpool auf dem Sonnendeck entpuppt sich eher als Zierde denn als Einladung. Insgesamt ist das 110 Meter lange Schiff in vier Decks unterteilt.

Und wir verlassen es für den Transfer zum Flughafen von Lyon mit Wehmut und mit einem herzlichen Merci.

Eine der (größeren) Kabinen auf der MS Voyage
Eine der (größeren) Kabinen auf der MS Voyage © Fontaine/GTA