Bill Withers ist tot. Ein Unscheinbarer, aber ebenso Unverrückbarer der Musiklandschaft des 20. Jahrhunderts ist nicht mehr. Der dreifache Grammy-Gewinner, der dem Planeten ein Bouquet unverwüstlicher Lieder schenkte, starb im 81. Lebensjahr. Als Todesursache wird ein Herzleiden angegeben - es war ein sanftes Herz, durch das zeitlebens purer Soul floss. "Lovely Day", "Ain't No Sunshine", "Grandma's Hands", "Use Me", "Sweet Wanomi" oder "Harlem": So klingt handgefertigte, mit echtem Gefühl veredelte Musik im Grenzgebiet von Soul und Folk.

Das Cover von Withers Debüt "Just As I Am" aus dem Jahr 1971
Das Cover von Withers Debüt "Just As I Am" aus dem Jahr 1971 © Sussex Records

Wenn es so etwas wie die Antithese zum extrovertierten Star gibt, dann war es wohl der 1938 im Kohlebaustädtchen Salb Fork in West-Virginia (derzeit: 202 Einwohner) Geborene: Als jüngstes von sechs Kindern hatte er es schon in jungen Jahren angesichts seines hartnäckigen Stotterns alles andere als einfach. Als sein Vater starb, war er gerade 13 Jahre alt. Die bescheidenen Verhältnissen denen Withers entstammte, brachten ihn als 18-Jährigen zur US-Navy, in der er neun Jahre diente. Später heuerte er bei der Douglas Aircraft Corporation an, wo er lange Zeit Flugzeugteile zusammenschraubte, um über die Runden zu kommen.Auch wenn Withers sich in Eigenregie Gitarre und Klavier beibrachte (er selbst spielte seine Fertigkeiten an diesen Instrumenten stets herunter) und seine samtige, beruhigende, unglaublich markante Stimme schon sehr früh einzusetzen wusste: Vom Weg zu Reichtum und Ruhm war sehr lange keine Rede. Jene Dollars, die er für ein paar einfache Demoaufnahmen investierte, verdiente er tagsüber in der Fabrik. Auf dem ersten Album "Just As I Am", das Sussex Records vor 49 Jahren herausbrachte, ist er dementsprechend noch mit seiner Lunchbox nach einer Schicht in der Flugzeugfirma zu sehen. Bill, wie er war - in der Tat. Das zweite (vielleicht beste) Album hieß dann folgerichtig "Still Bill". Ja, an diesem Mann klebten keine Verzierungen. Soul ohne Stuckatur, Folk ohne Firlefanz - Understatement eines echten Künstlers.Withers Musik wirkt heute einerseits wie aus einer fernen Zeit gefallen, andererseits ist sie auch das Gegenteil davon: absolut zeitlos. "Ain't No Sunshine" musste wie auch "Lean On Me" unzählige Coversionen variierender Qualitätsstufen über sich ergehen lassen - und wird doch für alle Zeiten purer Withers bleiben. Seine essentiellen ersten sechs Studioalben (1971 bis 1977) sind Seelenvollbäder, manchmal kratzig, manchmal seidig - und meist von jedem unnötigen Ballast befreit. Man muss nicht einmal die schwierigen Zeiten der Corona-Krise erleben, um zu wissen: Diese Musik nimmt in den Arm und heilt - biederte sich aber in keinem Moment an den Mainstream an.

Ende der 1970er-Jahre verlor der Musiker nicht zuletzt nach einem ermüdenden Rechtsstreit mit Columbia-Records zunehmend die Lust darauf, in ein Tonstudio zu gehen. "'Bout Love" von 1978 war bereits halbgar, das nach langer Pause 1985 veröffentlichte "Watching You, Watching Me" in grässlich-unpassenden Synthesizer-Sound dieser Ära gehüllt - und kein würdiger Abschluss seiner Karriere. Späteren Comeback-Angeboten, auch den hoch dotierten, erteilte er beharrlich Absagen. Kommerz, Vermarktung, Trends - es grau(s)te dem Aufrechten zu sehr davor.

Wer die frühen Alben zu Hause im Plattenschrank stehen (oder in seiner Playlist geparkt hat), kann bei allen Anlassfällen, die das Leben so parat hat, auf die pure Essenz von Musik zurückgreifen. Zumindest für einige Zeit wird es nun für seine generationenübergreifenden Fangemeinde heißen: "Ain't No Sunshine Now He's Gone".