Für das kunstaktivistische Projekt bereiste Ressler schon 2007 18 internationale Städte und stellte ein Jahr vor der Finanzkrise verschiedenen Aktivistinnen/Aktivisten und politischen Analystinnen/Analysten immer dieselbe Frage: „Was ist Demokratie?“ Die Antworten sind vielfältig, zeichnen aber ein in bestimmtem Sinne ahnungsvolles und prekäres Bild einer Staatsform in einer Definitionskrise, in der sich viele nicht mehr repräsentiert fühlen.
„Demokratie ist ein sehr weitläufiger Begriff, der zwischen dem Bild einer allgemeinen Volksherrschaft und dem einer von wirtschaftlichen Interessen getriebenen Gesellschaftsorganisation für vieles steht“, fasste der Künstler die vielfältigen Perspektiven und Kritikpunkte seiner Befragten zusammen. Dass dabei auch alternative Formen und Wege wie lokale Beteiligung oder gemeinsam geführte Proteste wesentliche Instrumente einer funktionierenden Demokratie sind, wird sowohl in den Filmen als auch in der abendlichen Diskussion zur Eröffnung in der Needle diskutiert.
„Was ist Demokratie?“ Diese Frage richtet sich nicht nur an die Passantinnen und Passanten, deren Blick derzeit auf das Kunsthaus Graz fällt, sondern auch an die Gesprächspartnerinnen und -partner des Künstlers Oliver Ressler. Bereits vor zehn Jahren wurde das Videoprojekt zum ersten Mal veröffentlicht, aber bis heute hat es nichts an seiner Aktualität verloren. Besonders in Zeiten des Brexit, der Fridays-for-Future-Bewegung oder der anstehenden österreichischen Nationalratswahl gilt eine Begriffsklärung als notwendig. „Wir dürfen nie eine statische Definition von Demokratie haben“, ist sich Historiker und Kulturanthropologe Leo Kühberger bei der Eröffnungsdiskussion sicher. Der Begriff geht zwar auf die altgriechischen Worte demos – das Staatsvolk – und kratos – die Macht – zurück, doch viele der befragten Aktivistinnen und Aktivisten sind sich einig, dass eine repräsentative Demokratie nicht von der Macht des Staatsvolkes bestimmt ist.
Als Ein-Mann-Team und der „Idee, mit einer einzigen Frage ein ganzes Projekt zu füllen“, reiste Ressler zwei Jahre um den Globus, um verschiedene Meinungen einzuholen, in der Demokratie etwa auch als Chimäre – ein furchteinflößendes Mischwesen – bezeichnet wird. Eine Besonderheit der Interviews ist die Wahl der Drehorte: Diese sind keineswegs zufällig gewählt, sondern präzise von den Gesprächspartnerinnen und -partnern ausgewählt, um ihre Antwort zu unterstreichen. Gedreht wurde vor Parlamenten, Statuen, Gefängnissen oder auch vor Flaggen. „Oliver Resslers Kamera geht dabei immer wieder auf die Suche nach Dingen, Menschen und Orten, die Alternativen aufzeigen und sich abseits des allseits einschläfernden Kommerzes nicht ganz konform verhalten“, betont Kuratorin Katrin Bucher Trantow.