"Das Pandemiejahr 2020 war ein außergewöhnliches für die Polizei", erklärte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zu Beginn der Präsentation der Kriminalstatistik 2020. Die Kriminalität habe sich stark verändert. Während die "klassische Kriminalität" wie Einbruchsdiebstahl zurückgegangen sei, verzeichne man einen deutlichen Anstieg bei jener im Internet. Hier seien vor allem Betrugsdelikte und Drogenhandel über das Darknet vorherrschend, erklärte der Minister. 433.811 Straftaten seien im Jahr 2020 insgesamt angezeigt worden.
"Die organisierte Kriminalität hat Anpassungsfähigkeit bewiesen", erklärte Franz Ruf, der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit. Cybercrime sei vor 10 Jahren noch ein "Orchideenthema" gewesen. "Damals hatten wir vielleicht 4.000 Delikte, heute sind es mehr als 35.000. Allein im letzten Jahr haben wir einen Anstieg um 26,3 Prozent verzeichnet." Die Cybercrime-Bekämpfung werde deshalb weiter massiv ausgebaut, mit zusätzlichen Beamten, internen Schulungen und internationalem Wissensaustausch.
"Täter nutzen Einsamkeit der Menschen im Lockdown aus."
Eine relativ neue Art des Online Betrugs sei das sogenannte "love scamming" oder der "Heiratsschwindel". Dabei sprechen Betrüger ihre Opfer gezielt auf sozialen Plattformen an und täuschen den Aufbau einer Liebesbeziehung vor. Danach wird davon gesprochen, dass man die Person besuchen wolle, aber kein Geld habe. Oder dringend einen Kredit brauche. Sobald das Opfer überwiesen hat, sind die Betrüger nicht mehr aufzufinden. "Die Kriminellen nutzen hier auch vielfach die Einsamkeit vieler Menschen im Lockdown aus", erklärte der neue als Chef des Bundeskriminalamts, Andreas Holzer.
Die Cyberkriminalität sei um mehr als 26 Prozent gestiegen. Mehr als die Hälfte davon seien Betrugsdelikte, zum Beispiel in Form von Bestellbetrug. Ein weiterer großer Bereich sei der Missbrauch von Kreditkartendaten. Ein großes Plus verzeichne man auch bei Hacker-Angriffen.
Rekordtief bei Einbruchsdiebstahl
Die Gesamtkriminalität sei deutlich zurückgegangen - um 11,3 Prozent. In Summe seien mehr als 100.000 Delikte weniger angezeigt worden als noch im Vorjahr. Die Aufklärungsquote sei hingegen auf 54 Prozent gestiegen, von täglich 1185 Anzeigen werden laut Holzer 642 aufgeklärt. In den Monaten des Lockdowns sei die Zahl der Anzeigen komplett eingebrochen, im April und Mai habe es Tage ohne einen einzigen angezeigten Einbruchsdiebstahl gegeben. "Weil die Menschen alle zu Hause waren." Auch beim Taschendiebstahl wurden erstmals weniger als 10.000 Delikte angezeigt. Holzer: "Im Jahr davor waren es 35.000."
Bei den Vermögensdelikten sei generell ein kontinuierlicher Rückgang seit 2011 zu beobachten, erklärte Holzer. Das sei auch auf gesellschaftliche Faktoren wie sinkende Arbeitslosigkeit und steigende Lebensqualität zurückzuführen. Aber: "Die Täter werden eben zunehmend digital."
"Traurige" Entwicklung bei Kindesmissbrauch
Eine "traurige" Entwicklung zeige sich beim Online-Kindesmissbrauch, erklärte Holzer. Auch dieser habe sich in Form von digitalem Austausch von pornografischem Material verstärkt. Mit 1.700 Anzeigen verzeichne man hier einen Höchststand der letzten 10 Jahre. Die Aufklärung dieser Delikte sei schwierig, da sich Betroffene wie Täter oft im Ausland befinden. Hier arbeite man intensiv mit internationalen NGOs zusammen, die Anzeigen melden und die dann in Österreich ausgewertet werden. Die Aufklärungsquote sei laut Holzer aber hoch.
Bei den "vollendeten Morddelikten" wurden 2020 43 Taten mit 54 Opfern verzeichnet, der Großteil von ihnen war weiblich. "In 70 Prozent der Fälle bestand ein Bekanntschaftsverhältnis zwischen Opfer und Täter, großteils kann man von Beziehungstaten sprechen", erklärte Holzer. Die Opfer des Terroranschlages seien jedoch nicht in der Statistik erfasst, da hier die Ermittlungen noch laufen.
Im Innenministerium will man auf die Verlagerung in den digitalen Raum mit internen Schulungen und dem Aufbau eines Expertennetzes im ganzen Land reagieren.