Die schönsten Geschenke sind die, deren Wert mit der Zeit wächst. Mit Asterix und Obelix groß geworden zu sein, ist so ein immer größer werdendes Präsent.
Die Geschichten mit den beiden stolzen wie schlaggewaltigen Zaubertrank-Galliern hat einem zwar nicht den Zauber der lateinischen Sprache nähergebracht, aber ein polyglottes Grundverständnis für regionale Eigenheiten europäischer Völker serviert. Seit dem frühen Erstkontakt mit „Asterix auf Korsika“ glaubt man so beispielsweise, die bergige Mittelmeerinsel, ihre Menschen und Marotten zu kennen: Kantige Gesichtszüge wie das Granitgestein des zentralen Gipfelgebirges, geruchspotenter Käse an allen Ecken und Enden der Insel, Esskastanien als Grundnahrungsmittel und Männer, die in Kleingruppen die mittägliche Siesta unter schattigen Bäumen absitzen.
So weit das Klischee.
So weit die Wirklichkeit.
Deshalb nicht mehr hinzufahren, wäre dennoch ein Fehler. Ein großer noch dazu. Gut, die zur Perfektion getriebene Chaos-Inszenierung des italienischen Fährunternehmens, das alternierend mit einer korsischen Reederei Mensch und Ware nach Bastia transportiert, kann man sich gerne schenken. Ansonsten sollte man auf dem Eiland in der überschaubaren Größe eines etwas aufgeblasenen Kärnten aber nichts, was Natur, Geschichte und Speisekarte bieten, auslassen.
Die Berge. Intensivere Bergtouren und Weitwanderungen sollte man zwar eher ins Frühjahr oder in den Herbst verlegen, zum Flussbaden in idyllischen Naturbecken, beispielsweise im Vallée du Fango im Westen oder bei Solenzara im Osten, sind die heißen Sommermonate aber wie gemacht.
Die Strände. Apropos Sommer: Weißer und feiner als am nur per Boot von Saint Florent oder langem Fußmarsch erreichbaren Plage de Saleccia ist der Sand auch in der Karibik nicht. In Nonza am Cap Corse dagegen der farbliche Kontrapunkt: pechschwarzer Kiesel. Aber auch klüftige Felsküsten gibt es – zum optisch spektakulären Superlativ getrieben im Golf von Porto, zu bewundern vom Boot aus oder entlang einer verwinkelten, engen Bergstraße durch die Calanche. Dort erschließt sich, warum sich Korsika vom griechischen „Kallisté“ („die Schönste“) ableitet.
Das Essen. Alles, was das Meer, die wilden Schweine und die üppigen Käseregale zu bieten haben. Dazu kann man bei ausgiebigen Verkostungen im Hinterland von Bastia auf die Suche nach dem passenden Wein gehen. Und Kastanien. Auch als Geschmacksverstärker in der inseleigenen Biersorte Pietra.
Die Geschichte. Drei Namen genügen: Napoleon Bonaparte – der kam mit Sicherheit auf der Insel zur Welt (in Ajaccio anno 1769); Christof Kolumbus – der soll 1451 in Calvi geboren worden sein (behaupten die Calvier, sonst eher niemand); und Osolemirnix – legendärer Anführer der korsischen Sippen im weltbildprägenden Asterix-Band.
Seinen Namen verdankt der Comic-Held Tino Rossi, einem Korsen – Komponist des Schlagers „O sole mio“. Den muss man nicht gehört haben, wenn man bei Propriano der Sonne beim romantikschwangeren Badengehen zuschaut.
Klaus Höfler